Montag, 19. Januar 2015

Nun, was bleibt...

Jetzt ist es schon drei Jahre und zwei Tage her, dass ich eines Abends auf der Terasse des Volunteers House saß und bei Kerzenschein ein Gedicht niederschrieb, um es auf meinem Blog über Indien zu veröffentlichen. Nun stelle ich mir selbst die Frage, wie kommt ein 20-jähriger dazu aus freien Stücken ein Gedicht zu schreiben? Wieviele in meinem Alter setzten sich heute noch hin und schreiben ein solches Gedicht, das Einblick in eine Gefühlswelt gewährt, die zur Zeit in Indien von diversen Eindrücken berauscht war? Wir jungen Menschen in Deutschland, die durch Smartphone, Fernseher und Co. unseren Geist verkommen lassen und Kreativität und Freiheitsgeist über den "Gefällt mir" Button dem Abfall übergeben? Wer von uns schreibt noch, interessiert sich noch?


Mittags auf der Terrasse

In meinem letzten Eintrag versprach ich noch ein paar abschließende Worte für meinen Blog zu finden. Nun, abschließende Worte wird es glaube ich nie für mich geben. Indien lebt auch Jahre später in mir weiter und es vergeht kein Tag an dem ich nicht an mein Abenteuer zurückdenke. Ich vermisse Indien, vermisse die Zeit, die mir vergönnt war. Natürlich geht das Leben weiter. Man landet in Deutschland und gewöhnt sich erschreckend schnell wieder an das Leben hier. Manchmal kommt es mir so vor, als habe jemand kurz die Pausentaste auf der Fernbedienung gedrückt, um nach einem Jahr wieder mit Play fortzufahren. Doch in meinem Inneren weiß ich, dass dem nicht so ist. Ein Teil von mir lebt auch heute noch in Indien weiter. Ich hatte auch ein halbes Jahr später immer noch Schwierigkeiten meinen Lebensweg hier in Deutschland zu akzeptieren. Wenn ich genau darüber nachdenke, dann habe ich es heute noch. Indien ist mir vertraut geworden. Deutschland wird mir immer fremder.

Abendstimmung
Wenn ich mir heute meine Einträge von damals durchlese, dann muss ich manchmal schmunzeln. Manches war vielleicht etwas übertrieben geschildert, allerdings spiegelt sich darin aber auch die Bedeutung meines Freiwilligen Sozialen Jahres wieder. Die Eindrücke, die damals auf mich wirkten, waren so bezaubernd, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Rückblickend hat mich das Jahr in Indien auf eine Weise verändert, wie es sonst kein anderes Ereignis hätte bewerkstelligen können. Nach Indien zu gehen, diesen Schritt zu wagen, war die wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben bisher getroffen habe. Ich bin mit gewissen Wertevorstellungen gegangen und mit vollkommen anderen heimgekehrt.

Und heute? Ich habe noch Kontakte nach Indien und zu manchen ehemaligen Mitfreiwilligen. Über Bilder sehe ich, wie die Kinder älter werden und neue Gesichter hinzukommen. Praveen kommt bald in die neunte Klasse! Seine Schulnoten sind unverändert super! Das Projekt selbst verändert sich ebenfalls stetig. Freiwillige kommen und gehen. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich plötzlich auf dem "Playground" stände, mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Tuch über dem Kopf, um mich vor der heißen Sonne zu schützen... Wer würde mich außer Praveen noch wiedererkennen? Wie sehr hat sich das Projekt verändert? Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Kalkeri nicht so anfühlen würde wie damals. Diese Zeit wird nie wiederkehren. Wenn ich manchmal traurig bin, dann wünschte ich die Zeit zurückdrehen zu können und mich wieder bei Kerzenschein mit meinen Mitfreiwilligen auf der Terasse des Volunteers House wiederzufinden. Wir lebten in einer anderen Welt, die keiner in Deutschland sich vorstellen konnte. Leider kann man nicht ewig in der Vergangenheit leben. Dennoch geben mir die Erinnerungen an Indien Kraft und Selbstvertrauen, immer dann, wenn ich zweifle.

Als ich gegangen bin, fragten mich die Kinder, wann ich wiederkommen würde. Auch heute weiß ich nicht, wann ich Kalkeri wiedersehen werde. Aber es steht für mich heute noch fest, dass ich wiederkommen werde. Vielleicht füge ich diesem Blog dann auch wieder ein paar Zeilen hinzu, wie ich es heute, zweieinhalb Jahre später, getan habe.

Julius

Mittwoch, 25. Juli 2012

Wolken des Abschiedes und von Zuhause nach Zuhause


Ich weiß nicht was ich schreiben soll. Eigentlich will ich, mit diesem vielleicht letzten Eintrag, reflektieren. Ich weiß, dass ich nun kurz vor dem Ende meiner langen Reise stehe, dass ich viel erlebt und gelernt habe. Wenn ich auf all das Erlebte zurück blicke, dann kann ich mich oft noch an viele Einzelheiten erinnern, ob das nun ein Jahr zurück liegt oder nicht. Das Problem ist: Es ist einfach alles so viel!
Ich habe schon in den Einträgen zuvor geschrieben, dass ich glaube, mich verändert zu haben. Ich habe auf meiner Reise viele Menschen getroffen, die mir alle etwas gegeben haben. Wenn man reist, dann trifft man Personen aus den verschiedensten Umfeldern, die einem am Anfang vielleicht komisch erscheinen, später jedoch viele Gemeinsamkeiten zeigen. Man lernt den ersten Eindruck fallen zu lassen und man wird mutig. Man will mehr erfahren. Etwas ganz Besonderes ist, dass man aus seiner Rolle schlüpfen kann und seine Erscheinung wieder frei wählen kann. Zuhause ist das weniger möglich. Eine Frage, die ich mir stelle ist: Werde ich wieder meine alte Rolle Zuhause einnehmen oder habe ich mich dafür zu stark verändert? Ich glaube mir selbst wird das weniger auffallen. Das Erste, was mir, auf meiner Reise, selbst aufgefallen war, war meine eigene Offenheit Fremden gegenüber. Zugegebenermaßen hatte ich ja auch keine andere Wahl! Das Schlimmste, was einem bei einer solchen Reise passieren kann ist: Alleine zu sein. Ich selbst habe gemerkt, wie wichtig für mich die anderen Freiwilligen waren, zu denen man schnell eine Freundschaft aufbaut. Die Abende zusammen mit den anderen Freiwilligen aus Frankreich, Kanada, England oder Deutschland waren mir immer sehr wichtig, was ich früher vielleicht nur unterbewusst wahrgenommen habe. Besonders zu Lea, Nils und Paul habe ich ein besonderes Verhältnis. Sie waren die erste WG, in der ich jemals gewohnt habe und zu ihnen hatte und werde ich hoffentlich auch zukünftig noch eine sehr enge Freundschaft haben. Es war wirklich etwas Besonderes. Man braucht Menschen, denen man vertrauen kann und die einen verstehen. Ich bin froh, dass ich diese Menschen zu Hause, sowie auch hier in Indien gefunden habe. Ich freue mich auch all diese Menschen kennengelernt zu haben. Nicht nur weil ich dann auf zukünftigen Reisen eine kostenlose Unterkunft haben werde, sondern auch weil es mir ermöglicht war, einen Einblick in ihr Leben zu erhaschen. Was wusste ich früher über den Alltag eines Franzosen, wenn ich nur nach Fontainebleau gefahren bin, um dort klettern zu gehen?! Ich glaube im Ganzen, war es unheimlich wichtig, dass ich diese Reise alleine gemacht habe.
Indien war das Land, wohin ich letztendlich gereist bin. Wenn ich zurück blicke, dann hätte die Entscheidung nicht besser sein können. Es war und ist unbeschreiblich! Wo fange ich bei Indien an?? Mit den Menschen? Mit der Natur? Mit meinem Projekt, der eigentliche Grund meiner Reise? Zu jedem dieser drei Bereiche könnte ich mehrere Bücher schreiben und selbst die könnten nicht meine Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke richtig darstellen, wie sich Indien anfühlt, riecht oder lebt. Aber letztendlich ist das vielleicht auch gar nicht wichtig. Indien gab mir mehr, als ich seinen Kindern jemals geben könnte, aber auch das ist okay. Bei der Arbeit in meinem Projekt weiß ich, dass ich mein Bestes gegeben habe und dass ich meine Spuren hier hinterlassen habe. Ich bin überzeugt, dass meine Arbeit wichtig war und dass ich wirklich sagen kann:“mission complete!“ Mein Projekt war wie ein Zuhause für mich und wird es auch immer bleiben. Die Menschen, die hier leben, sind mir wichtig und vertraut. Besonders zu den Kindern hat man ein Verhältnis, das sich mit Freundschaft oder teils enger Freundschaft beschreiben lässt. Die Arbeit mit den Kindern war toll und bereichernd. Ich denke, die meisten Dinge habe ich von ihnen gelernt. Am Anfang hatte ich geschrieben, dass ich erwarte erwachsener zu werden. Ich glaube, dass bin ich auch geworden, allerdings hatte ich auch noch mal die Chance ein letztes Mal Kind zu sein, was auch sehr wichtig war. Wenn ich nun wieder nach Hause gehe, dann könnte der Lebensweg der Kinder und meiner unterschiedlicher nicht sein. Ich beginne mit dem Studium, lebe wieder im alltäglichem Luxus, und die Kinder? Sie werden hier weiter in Schlammhütten leben, früh morgens singen und musizieren, dann den normalen Schulalltag genießen (die/der ein oder andere vielleicht nicht ganz so). Ich glaube auch, dass ich die Menschen und Kultur nun gut verstehe. Im zweiten Halbjahr war ich an viele Dinge einfach schon gewöhnt, sodass sie mir als völlig normal vorkamen. Ich denke, auch deshalb schien das zweite Halbjahr so schnell zu vergehen.
Wie man so schön sagt: Man geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen ist da die Freude auf Freunde und Familie. Auch freue ich mich natürlich auf den alten Luxus und das ich nun mit Ausbildung und Studium beginnen werde. Einfach die Tatsache, dass ich wieder in einem festen, trocken, sauberen und nicht verflohten oder verlausten Haus leben werde, bei dem nicht sofort alle Wände einstürzen, wenn es mal etwas regnet. Auch die Diebstähle der Affen werde ich nicht großartig vermissen. Ich freue mich auf GUTE Marmelade, GUTES Brot mit GUTEM Käse oder einfach mal mit Salami! Eine warme Dusche, wenn ich auf eine Eiskalte mal keine Lust haben sollte. Wieder einen Computer zu besitzen wird auch recht angenehm sein oder nicht mehr auf dem Boden, sondern in einem richtigen Bett schlafen zu können, dürfte himmlisch werden! Auch Anziehsachen zu tragen, die nicht voller Löcher, Risse oder ein bisschen Schimmel (nur im Monsun) sind, wird den Tragekomfort wesentlich steigern. Ich muss auch zugeben, etwas Ruhe vor Kindern zu haben wird angenehm sein. In Dharwad nicht immer erklären zu müssen, wo man her kommt und wie man heißt, bloß weil man weiß ist, ist auch schön. Einfach mal wieder einer von vielen zu sein. Ein ruhiger Verkehr mit System! Keine überfüllten Busse oder Züge. Nicht mehr reich sein! Keine Darmkrämpfe mehr. Keine dreißig Mosquitostiche mehr an einem Abend. Keine Schlangen, Skorpione oder Kakerlaken oder sonst irgendwelches Getier mehr in seinem Zimmer. Keine Milliarden Ameisen, die einem über das Bett krabbeln. Kein Toast mehr auf der Bratpfanne machen zu müssen wird definitiv Zeit sparend sein. Zu jeder Zeit Strom haben und nicht mehr Trinkwasser zur Hütte hinauf schleppen zu müssen, lässt mich hoffentlich nicht faul werden. Mal wieder ins Kino oder in die Bar. UND KLETTERN!! Etc….
Auf der anderen Seite: Nicht mehr im Bus sitzen und denken: „Was für eine Landschaft!“ Keine Traumstrände in Gokarna mehr. Nicht mehr Bouldern gehen in Hampi. Nicht mehr ganz so viele herzliche Menschen. Kein Plätschern der Regentropfen auf den Dachplatten. Kein indischer Gesang mehr beim Aufwachen. Keine Dschungelgeräusche mehr. Keine Affen. Keine Dusche im Freien. Kein Verhandeln mehr beim Einkaufen. Keine farbenfrohen Kleider mehr. Keine Coke mehr, aus einer eisgekühlten Glasflasche, für zwanzig Rupien. Usw….
Nachdem ich nun Vor- und Nachteile Revue passieren lassen habe, kann ich sagen: Es ist okay, dass ich jetzt gehe. In Deutschland warten neue Herausforderungen und neue Projekte. Ich fühle, dass ich nun auch wirklich am Ende angekommen bin. Es wird sicherlich dennoch nicht einfach sein, die letzten Meter vom Volunteershaus hinab zu laufen und sich von den Kindern zu verabschieden, dann in das Schulauto zu steigen und davon zu fahren, ohne zurück zu kehren.
Ich denke, Reflexion ist etwas, worüber man nicht schreiben kann. Reflexion wird noch Jahre später stattfinden und das nur in Gefühlen und Empfindungen. Zu sagen, „Dieses Jahr im Ausland hat mich stark geprägt“, ist definitiv wahr, allerdings beschreibt es nicht die Bedeutung. Ich glaube, den gesamten Wert und die Bedeutung meiner damaligen Entscheidung, werde ich erst in ein paar Jahren richtig einschätzen oder erkennen können.
Ich bin wirklich gespannt auf Deutschland und darauf, wie es nun weiter geht. Ich habe noch keine großen Erwartungen wie sich mein Zuhause oder mein Umfeld verändert haben könnte. Auch das ist ein kleiner Teil meiner Vorfreude.
Die letzten Tage im Projekt werde ich noch arbeiten. In den Klassen zeige ich Filme, wie „Ice Age“ oder „Charlie and the chocolate factory“. Bei meinem letzten Besuch in Dharwad werde ich noch Süßigkeiten für die Klassen besorgen und meinem Sitarlehrer „auf Wiedersehen“ sagen. Donnerstag und Freitag wird gepackt. Freitagabend wird der Moment dann schließlich kommen, wo sich die Wege trennen werden. Noch ein kleiner Snack im tibetischen Restaurant „Momos“ und dann geht’s zum Bahnhof, auf nach Bangalore. In Bangalore genießen wir nochmal günstiges Essen und einen schönen Abend in einer Bar. Am Montag um ca. sieben Uhr indischer Ortszeit, werden wir dann Indien verlassen.
Nun am Schluss meines Blogeintrages, habe ich also glücklicher Weise doch noch ein paar Zeilen zusammen bekommen. Vielleicht wird noch ein Eintrag in Deutschland folgen, wo ich dann möglicherweise noch den einen oder anderen Aspekt hinzufügen kann.
Soweit war es das nun aus Indien. Ich hoffe, ich konnte euch mit meinem Berichten eine Freude machen. Ich hoffe auch, dass ich euch einen kleinen Eindruck von dem Leben, was ich hier gefuehrt habe, uebermitteln konnte. Denen, die meinen Blog gelesen haben, danke ich auch sehr, da ich so, bei Problemen oder besonderen Ereignissen, meinen Gedanken und Gefuehle von der Seele schreiben konnte und diese auf offene Ohren gestossen sind. Ich wünsche euch alles Gute und wir sehen uns bald!
Ein letztes Mal aus Indien!

Julius

Dienstag, 19. Juni 2012

On the road and home again!

Auf dem Weg zum Kongma La
„Ich atme schwer. Meine Lungen brennen, denn ich kriege nicht genug Luft. Ich sollte eine Pause machen, aber wenn ich jetzt stehen bleibe, dann wird es wieder eine Überwindung los zu laufen. Zum Glück hab ich genug getrunken, ansonsten hätte ich sicherlich Kopfweh. Noch fünf Schritte! Ein Blick hoch, der Himmel ist so schwarz! Noch drei Schritte! Wenn ich meine Füße sehe, ist es strahlend weiß und mir glitzern tausend Sterne entgegen. Endlich! Pause! Rechts von mir erhebt sich die imposante Südwand des Nuptse und dahinter ragt der Gipfel des Lhotse in die Höhe. Weiter hinten kann ich nach Tibet sehen. In der Ferne kann man den Makalu erkennen und mir gegenüber steht einsam die Ama Dablam. Überall Schnee und Eis. Ich lache innerlich, denn dieser Anblick ist einfach wunderschön. Laut Lachen wäre zu viel des Guten, denn mir fehlt dazu die Luft. Vor mir liegt der verschneite Weg nach oben zum Pass, ich kann noch nichts erkennen, was nach meinem Ziel ausschaut. Es ist kalt, dennoch stelle ich den Rucksack ab, denn ich weiß, dass ich trinken muss. Nagan ist mir ca. 50 Meter voraus, aber er merkt sofort, wenn ich stehen bleibe, und dreht sich lächelnd zu mir um. „Everything all right?“ Ich nicke und deute auf die Wasserflasche. Das Wasser in meiner zweiten Flasche, die nur aus Plastik besteht, ist gefroren. Mist! Hoffentlich wird die Sonne schnell stärker! Unter mir kann ich die glänzenden Dächer Chukung’s sehen. Pausen sind was Schönes, doch ich muss weiter. Also setze ich meinen 14kg Rucksack wieder auf, mache noch ein paar schnelle Fotos, und setzte wieder langsam einen Schritt vor den anderen, so, wie es mir meine Beine sagen. Zehn Schritte, dann Pause, dann wieder zehn Schritte. Stetig weiter.

Bergpanorama von Dingboche
Ich befinde mich auf 5400 Meter, noch 200 Höhenmeter vom Passglück entfernt. Mein Ziel ist der Kongma La, einer der drei Pässe auf meinem Treck und Hindernis auf meinem Weg nach Lobuche. Es ist mein erster Pass und auch noch der Höchste. Um mich herum stehen die Berge, die die Höchsten der Erde sind. Ihre Schönheit lässt sich nicht in Worte fassen. Weit und breit ist außer Nagan und mir keine Menschenseele zu erkennen. Die Sonne ist gerade aufgegangen und ein sehr großer Mond verschwindet gerade hinter der Cholatse-Kette. Wir haben leider Neuschnee, was den Aufstieg etwas erschwert. Aber es sind ja jetzt nur noch 200 Höhenmeter, also noch ein bisschen mehr als eine Stunde Aufstieg. Wir passieren die Eisseen des Kongma Tse und können dann plötzlich unser Ziel sehen. Die Gebetsfahnen flattern ca. 150 Meter höher. Der Weg dorthin führt an einer senkrechten Felswand empor, bei der man sich fragt, wie man dort ohne Seil hinaufgehen soll. Ein schmaler Steig, von Eis bedeckt, führt die letzten Meter zum Pass. Ich bin in meinem Leben noch nie in dieser Höhe gewesen. Es ist eine besondere Erfahrung. Nur noch 50 Höhenmeter. Einfach, einen Fuß vor den Anderen setzten, funktioniert nicht mehr. Im Geist sage ich bei jedem Aufsetzen meiner Füße: 1,2,1,2,1,2-Pause-1,2,1,2,1,2-Pause usw.
Passglück

Die Aussicht ist einfach nur gigantisch. Auf der linken Seite liegt das Chukung-Tal. Ama Dablam, Lhotse, Nuptse, Makalu und der Island Peak strahlen mir entgegen. Vom Pass aus kann ich weit nach Tibet sehen. Unten, zu meiner Rechten, fließt der riesige Khumbu-Gletscher hinab und transportiert, zum Teil, haushohe Felsen, auf Bergen von Schutt, das Tal hinunter. Den Gletscher muss ich heute noch überqueren…. Es lassen sich auch die Ausläufer des Pumori und des Cho Oyu ausmachen. Die Gebetsfahnen werden von der Sonne angeschienen und lassen ihre Farben, im Kontrast zum dunklen Himmel, leuchten. Ich bin sehr erschöpft und mache wieder nur ein paar schnelle Fotos. Nagan drängt zum Aufbruch. Der Khumbu hat, wegen der Höhe der Berge, sein eigenes Wetter. Die ersten kleinen Wolken zeigen sich an den Gipfeln der Berge. Wir sollten uns beeilen!“

Das ist ein kleiner Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch, das ich, auch auf meinem Treck, bei mir hatte und wo ich jedes Mal, nach einer Etappe, hinein geschrieben habe. Ich war im Khumbu für drei Wochen unterwegs. Allein mit meinem Guide Nagan Rai, mit dem ich eine drei-Pässe-Tour gemacht hatte, was uns, so gut wie, in jede Ecke des Khumbus geführt hat. Im Gesamten war ich auf meiner Nepalreise ganz alleine unterwegs. Zumindest offiziell. Auf meinem Treck, sowie während meiner Zeit in Katmandu, habe ich viele Menschen kennengelernt und bin auch manchmal eine gewisse Zeit mit diesen Leuten zusammen gereist. Es war toll so viele Menschen von den verschiedensten Teilen der Erde kennenzulernen und sich auszutauschen. Man erfährt viele Dinge und es ist sehr interessant, einen kurzen Einblick in das Leben der Personen zu erhaschen. Der Treck war mit Sicherheit das Highlight meiner Reise. Für jemanden, wie mich, der viel Klettern und Bergsteigen geht, ist der Himalaya etwas ganz besonderes. Früher als Kind haben mich Berichte über das Extrembergsteigen sehr interessiert und die Bilder, in all den Büchern, konnte ich mir ewig anschauen. Es war seitdem immer einer meiner größten Wünsche diese Eisriesen zu sehen.

Besonders die Zeit mit Nagan Rai war sehr schön. Nagan ist 26 Jahre alt und betreibt mit seinem Cousin Bachan ein kleines Guide-Unternehmen für Trekkingtouren.  Für jemanden, der nach einem guten Guide für Nepal sucht, ist bei Bachan und Nagan an der richtigen Adresse. Nagan war eine lange Zeit Träger, bis ihm ein Paar aus München einen einjährigen Englischkurs gesponsert haben. Heute spricht Nagan ein sehr gutes Englisch, was mir auch sehr zu Gute kam, da ich so jemanden hatte, mit dem ich mich auf dem Weg unterhalten konnte. Nagan ist auch gerade dabei Deutsch zu lernen und auf meinem Treck habe ich auch die eine oder andere Deutschstunde gegeben. Oft saßen wir aber einfach nur abends zusammen und haben mit den anderen Trägern und Guides Karten gespielt.

Etwas, woran ich mich auf dem Weg schwer gewöhnen konnte, war der Temperaturunterschied zu Südindien. Teils hatten wir in den höheren Lodges höhere Minusgrade, sodass ich froh war den Daunenschlafsack dabei gehabt zu haben. In Indien war ich zuvor Temperaturen von um die 40°C oder heißer gewöhnt. Das kalte Wetter in den Bergen war anfangs also ein ziemlicher Schock.

Katmandu's Durbar Square
Die Zeit nach dem Treck habe ich in Katmandu verbracht. Ich habe mir zahlreiche Stupas oder Königspaläste, die sog. Durbar Squares, angesehen. Besonders die verzierten Holzarbeiten an den Palästen haben mir sehr gefallen. Das Gebiet in und rund um Katmandu hat viel an Kultur zu bieten, sodass man auch vermehrt andere Touristen trifft. Für mich waren die schönsten Orte die Stadt Bhaktapur, welche berühmt für seine Metallarbeiten ist und ehemals sehr von der Handelsstrecke profitierte, die von Indien nach Tibet führte. Auch Patan war toll anzuschauen, welches bekannt für seine Seiden- und Stofftücher ist. Die berühmteste Stupa Nepals ist sicherlich die Boudnath Stupa, die sich im Osten der Stadt erhebt und von weither sichtbar ist. Besonders am Spätnachmittag, während des Sonnenunterganges, wird das weiße Bauwerk von der rötlichen Sonne angeschienen und bietet einen bezaubernden Anblick.
Boudnath Stupa

Die Zeit in Nepal hat mir sehr gut gefallen, was besonders auch an den Menschen lag. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass viele sehr viel hilfsbereiter sind und eher mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht auf einen zu kommen. Allerdings habe ich auch nur zum Großteil den Vergleich zu Dharwad, wo kein einziger Mensch an einen Ausländer gewöhnt ist und viele auch einfach nicht wissen, wie sie sich in Gegenwart eines Fremden verhalten sollen. Ansonsten hatte ich den Eindruck, dass sehr viel zu Indien vergleichbar ist, allerdings in abgeschwächter Form. Die Straßen und Flüsse waren weniger verschmutzt und die Dimensionen an Menschen und Häusern einfach nicht so riesig.

Die Ähnlichkeit liegt natürlich zum einen an der Nachbarschaft der beiden Länder, aber auch zum anderen an den sehr guten Beziehungen. Indien ist quasi der große Bruder Nepals und für viele Nepali auch ein Vorbild. Mittlerweile brauchen Inder, wie auch Nepali, nicht mal mehr ein Visum, um in das benachbarte Land einzureisen. Die guten Verhältnisse der beiden Länder sind besonders durch die Handelsbeziehungen begründet. Nepal muss aufgrund der wenigen Möglichkeiten, eigene Dinge zu produzieren oder herzustellen, viele Dinge importieren. Güter werden natürlich besonders aus Indien eingeführt. Die einzige Haupteinnahmequelle ist für viele Nepali einfach der Tourismus. So gibt es vor Allem in Katmandu und Pokhara viele Travel-Agenturen, die Rafting-, Kletter- oder Trekkingtouren anbieten und sich direkt auch sofort um die Flüge in das jeweilige Gebiet kümmern.

Alles in Allem hatte ich in Nepal eine sehr schöne Zeit und habe viele Menschen kennengelernt. Sicherlich werde ich auch nochmal wieder kommen, um dann vielleicht mal ein bisschen mehr als Trekking zu wagen. Nach fünf  Wochen reisen, hatte ich mich aber schon wieder nach einem vertrauten Gesicht gesehnt und war auf der einen Seite auch froh, wieder zurück nach Indien zu fliegen und in mein Projekt zurück zu kehren.

Praveen als zweitbester Schüler der 5.Klasse
Nun hatte ich das letzte Mal auch von einem gewissen Sponsorship erzählt. Sponsorship bedeutet in diesem Fall Patenschaft. Als meine Eltern mich in meinem Projekt besuchten, kam die Idee auf, eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. Das heißt genauer, dass wir monatlich Geld an die Schule schicken. Das Geld geht nicht nur speziell an das eine Kind, sondern wird gerecht, für alle Kinder, verwendet. Nachdem meine Eltern wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind, hatten sie der Patenschaft zugestimmt und seitdem sponsern wir den 6.Klässler Praveen. Praveen hat zwei Schwerstern, von denen eine auf eine staatliche Schule geht und die andere noch ein Baby ist, außerdem hat er einen älteren Bruder, der in einem „Medicalshop“ arbeitet. Praveen kam 2009 in die Schule und sprach nicht das geringste Englisch. Praveen’s Vater arbeitet in einem Steinbruch, wo er kaum Geld verdient, sodass die Familie zu einer sehr armen Schicht gehört. Mittlerweile scheint sich sein Vater das Bein gebrochen zu haben und muss zu Hause genesen, sodass zurzeit nur der ältere Bruder Geld nach Hause bringt. Praveen’s Mutter geht keinem Beruf nach, sondern kümmert sich, wie die Gesellschaft es will, um den Haushalt. Mittlerweile ist Praveen einer der Besten in seiner Klasse, oder wenn nicht DER Beste. Praveen lernt auch ein Instrument, nämlich Tabla, das wohl berühmteste Trommelinstrument Indiens. Praveen selbst sagt, dass er sich in der Schule sehr wohl fühle. Es gäbe hier keinen derartigen Konkurrenzkampf, wie auf seiner alten Schule, was ihm sehr helfe. Er sei froh in diese Schule gekommen zu sein und sei seitdem glücklich.
Bild von Praveen

Für mich selbst ist dieser Sponsorship etwas Besonderes. Auf diese Weise bleibe ich mit der Schule in Kontakt und  werde auch weiterhin über Neuigkeiten informiert. Auch ist es schön mit einem Schüler für die nächsten Jahre in Kontakt zu bleiben. Ich kennen Praveen nun seit fast einem Jahr und haben ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Manchmal sitzen wir zusammen und unterhalten uns über sein Zuhause und seine Familie oder auch über Deutschland und schließlich dann auch über die ungleichen Verhältnisse, die in Indien und Deutschland herrschen. Ich bin mir sicher, dass Praveen irgendwann auf das Kollege gehen wird und später einmal einen Beruf ergreifen wird, der ihm ein gutes Leben ermöglichen kann. Ich hoffe auch, dass wir über den Sponsorship hinaus in Kontakt bleiben. Noch weiß Praveen nichts davon, dass ich ihn sponsere oder er lässt es sich zumindest nicht anmerken. Vermutlich würde ihm das sowieso noch nicht viel sagen, was genau es bedeutet gesponsert zu werden. An Feiertagen oder an seinem Geburtstag wird er uns mal einen Brief schreiben und dazu ein Bild malen. Natürlich werden wir ihm auch schreiben.
Als ich zurück in die Schule kam hatte sich einiges verändert. Ich unterrichte nun die 2., 3. und 5. Klasse. Jeden Tag. Glücklicherweise werden keine Hausaufgaben mehr aufgegeben, sodass ich die wenigstens nicht mehr kontrollieren muss. Die Klassen laufen soweit ganz gut. Die 2. Klasse muss noch verstehen, dass ich zwar immer noch ihr Freund, allerdings nun auch ihr Lehrer bin. Da gibt es noch ein paar kleine Schwierigkeiten. Die 3. Klasse muss nun auch lernen, dass sie in meinem Unterricht die Klappe halten muss! Ansonsten streich ich ihnen den Film. Das ist übrigens gestern der 3. Klasse passiert, aber ich war gütig… Sie dürfen nur die erste halbe Stunde nicht zuschauen, wenn sie den Rest der Woche still sind. Sonst wird es der komplette Film. Es gibt nun auch sog. „Clubs“, wo die Freiwilligen bestimmte Aktivitäten anbieten, wie zu Beispiel Schach oder Deutschstunden. Auch ist der Plate Check wieder eingeführt worden, zumindest zum Teil. Morgens müssen die Freiwilligen nur noch kontrollieren, ob die Teller sauber und die Hände gewaschen sind. Der Rest ist beim alten geblieben. Meine Arbeit macht mir immer noch Spaß und die Kinder scheinen mich, trotz meiner einzigen Bedingung, dass sie im Unterricht still sein müssen, weiterhin zu mögen.

Heute sind es noch 41 Tage bis es nach Hause geht. Man geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist ein komisches Gefühl, dass so ein Jahr dann plötzlich vorbei ist. Ich kann nicht sagen, dass es mir kurz vorgekommen ist. Es war lang, aber ich habe jede Minute genossen. Für Reflexionen ist jetzt noch keine Zeit, das wird später kommen. Am Sonntag machen Lea, Nils, Paul und ich uns auf nach Bangalore, zu unserem Endyear-Camp. Für Lea und Nils ist es ihr Midyear-Camp. In Bangalore werden wir ca. eine Woche verbringen, bevor es zurück ins Projekt geht, dann nur noch für 28 Tage. Am 28. Juli werden Paul und ich wieder nach Bangalore fahren und dort eine Nacht im Guesthouse vom ICDE-India schlafen, bevor wir mitten in der Nacht aufstehen, zum Flughafen fahren und am 30. Juli um 07:00 Uhr morgens in das Flugzeug Richtung Muscat steigen, um nach Hause zu fliegen. Naja, mein anderes Zuhause…

Das Ende scheint nun doch nah zu sein. In diesem Sinne bis bald und ihr hört nochmal im Juli von mir! Ich wünsche euch alles Gute!

Julius

Mittwoch, 6. Juni 2012

Wieder da!

So, ich bin wieder gut im Projekt gelandet und mache mich nun ans schreiben! Ich bin gesund und recht schreibmotiviert. Also ihr werdet wohl sehr bald von mir hören!

Ich hoffe bei euch ist alles klar!

Julius

Freitag, 27. April 2012

Nepal Calling!

Hallo ihr da!
Ich sitze gerade im Office und moechte euch, kurz vor meiner Reise nach Nepal, noch ein paar Zeilen widmen.
Nun mache ich mich also alleine auf ein neues Land kennen zu lernen. Nepal. Jedes Kind, das sich irgendwie fuers Klettern oder Bergsteigen interessiert hat, hat sicher schon von diesem Land gehoert. Fuer mich erscheint es, genau wie bei Indien zuvor, unwirklich, dass ich dieses Land bald sehen werde. Ich werde das hoechste Gebirge der Welt und die Schauplaetze, der groesstenteils tragischen Alpinen Geschichte, bereisen.
Ich bin auch gespannt, in wie fern sich Nepal von Indien unterscheidet. Sind die Menschen dort "anders"? Man wird es sehen....
Ich alleine unterwegs? Haette mir das jemand vor 9 Monaten gesagt, haette ich gelacht und das fuer sehr unwahrscheinlich gehalten.

Mein naechster Eintrag wird... ihr wisst schon... richtig... ausfuehrlicher! Ich werde euch dann erklaeren was ein Sponsorship ist und euch von Praveen erzaehlen und natuerlich - Nepal.

Bis dann in fuenf Wochen! Ich wuensche euch alles Gute!

Euer Julius

Montag, 26. März 2012

Die drei Seiten


Kinder aus Kalkeri
Vom „Busstand“ aus, sind es nur wenige Meter bis zu den „westlichen“ Shops, wo man Nutella, guten Honig und Hygienezeug von Marken, die man auch im Westen kennt, einkaufen kann. In diesen Laeden trifft man vor Allem wohlhabende Inder an, die sich, die fuer die normale Bevoelkerung, viel zu ueberteuerten Artikel leisten koennen. Der Weg dort hin ist eng und voller Menschen. Es ist heiss und wenn man auch noch einen Rucksack traegt, dann spuert man, wie die Schweissperlen einem den Ruecken hinunter laufen. Besonders die Gerueche entwickeln bei den warmen Temperaturen nochmal eine ganz eigene Intensitaet. Der Urin-, Muell und Essensgeruch haengen einem die meiste Zeit in der Nase. Um die Temperarturen, die vielen Menschen und die anderen Eindruecke aufzunehmen und ertragen zu koennen, muss man mit einer gewissen inneren Ruhe in die Betriebsamkeit, der Stadt Dharwad, eindringen.
In der Naehe der westlichen Laeden, zwischen einem Schnellimbiss und dem kleinen Park, trifft man meist auf einen Mann, dem das Schicksal schwer mitgespielt hat und dem, durch die soziale Strucktur Indiens, sein Lebensweg gnadenlos und unveraenderbar gewiesen wird. Er liegt meist, zusammen gekruemmt, in einer sehr verdreckten Ecke. Eines seiner Beine ist unterhalb des Kniegelenks abgetrennt und den Stumpf breitet er meist vor sich aus, da er bei einer anderen Position Schmerzen zu erleiden scheint. Sein zottelieges, fettiges, zerfranztes Haar streift stets beim betteln ueber den dreckigen Boden. Das einzige, was er besitzt ist eine loechrige Muetze, die er manchmal vor sich ausbreitet, um ein paar Rupien zu erbetteln.
Grundsatz einer "Government School"
Als ich diesen armen Mann passieren will, tritt mir ein Geschaeftsmann in den Weg und laechelt mich freundlich an. „Nicht jetzt!“ denke ich und versuche einen Blickkontakt zu vermeiden. Doch: Zu spaet! Der uebliche Smalltalk beginnt mit: „Hey my friend! Where are you from? “ Ich versuche mich kurz zu fassen und antworte in knappen Saetzen. Waehrend mich der Geschaeftsmann so ausfragt, hoere ich neben mir ein Kraechzen: „Bayar!“ Natuerlich ist dieser Bettler auf mich aufmerksam geworden. Ich werfe ihm einen fluechtigen Blick zu, reagiere aber nicht. Ein wenig spaeter wieder: „Bayar!“ Mittlerweile beginnt der  are Mann auf mich zu zukriechen und kraechzt dabei immer weiter „Bayar! Bayar!“ Dieser Anblick des verkrueppelten Menschen, der auf mich zu kriecht, waehrend ein freundlicher Geschaeftsmann mich ueber mein Zuhause und meine Arbeit ausfragt, ist nur schwer ertragbar. Der Bettler hat mich fast erreicht, als ich es endlich schaffe, den Geschaeftsmann schnell abzuwicklen und meinen Weg fortsetze.
Im Viertel der Musiker
Es ist nicht so, dass ich diesen Menschen keine Alomsen geben will. Es ist in meiner Rolle nicht moeglich irgendjemanden Almosen zu geben, selbst den kleinen Kindern nicht. Solche Situationen sind natuerlich sehr schwer, allerdings kann ich den ganzen Bettlern in Dharwad kein Geld geben. Wir Freiwilligen sind die einzigen „hellhaeutigen“ Menschen in der Umgebung. Wenn wir Almosen geben, wird sich sowas schnell herum sprechen und kann letztendlich sogar nicht ganz ungefaehrlich werden.
Diese Kontraste, die anfangs interessant und klischeehaft wirkten und worueber man sich natuerlich viele Gedanken gemacht hat, zermuerben nun. Es ist gut, taeglich damit konfrontiert zu werden, und sich zu fragen, wie so etwas in der Welt moeglich ist. Die einen profitieren, waehrend die anderen alles verlieren. Davon lebt das System dieser Welt heute. Ich will damit keineswegs aussagen, dass ich den Sozialismus gutsage, allerdings ist der Kapitalismus auch scheisse. Wieso wird ein Mann aus einer Kantine geworfen, nur weil er sich keine bessere Kleidung leisten kann und wie das letzte Stueck Dreck behandelt wird, obwohl doch eigentlich alle Menschen auf der selben Stufe stehen? Menschen werden immer noch in Klassen eingeteilt und dem entsprechend ruecksichtslos behandelt. Diejenigen, denen es gut geht, scheren sich nicht um diejenigen, um die man sich eigentlich scheren sollte. Jeder denkt nur an sich selbst. Sowas kennt man sonst nur aus den Medien. In Deutschland lebt man eher selten in dieser Welt. So etwas „live“ zu sehen, ist etwas anderes und veraendert etwas in dir. Frustrierend ist auch, dass man die Welt nicht aendern kann. Man driftet tatenlos durch die Zeit und sieht zu was passiert. Ab und zu bekriegt man sich und ueberlaesst spaeter das Land sich selbst. Das selbe gilt fuer Naturkatastrophen. Die Oeffentlichkeit wird dabei natuerlich nicht in Kenntniss gesetzt, um sich selbst nicht zu schaden. Gewisse Menschen duerfen nicht zu Wort kommen, ansonsten koennte vielleicht doch etwas passieren. Da geht man lieber das Leiden anderer ein, da es ja einen selbst nicht betrifft.
Bunt!
Welche Rolle haben wir Freiwilligen eigentlich? Wir werden in ein fremdes Land geschickt, um uns weiter zu bilden. Dem Land selbst helfen wir nicht. Wir sind keine Entwicklungshelfer. Der Staat schickt uns allein aus eigenem Nutzen. Das einzige was wir geben koennen ist: Uns. Wir geben den Kindern, durch unsere Erscheinung und unser Verhalten, einen Einblick in eine andere Welt. Ob diese erstrebenswert ist oder richtig ist, bleibt definitiv in Frage gestellt. Ich bin nicht der erste der versucht, sowas in dieser Richtung zu schreiben. Auf jeden Fall ist es gut sich sowas von der Seele zu schreiben. Es ist einfach auf alles herum zu trampeln, aber was wirklich unternehmen tue ich schliesslich auch nicht. Zumindest noch in keiner Weise, die mich zufrieden stellt. Was meine ich ueberhaupt mit „unternehmen“? Ich weiss es auch nicht wirklich.
Holi mit Praveen

Da gehe ich doch vorerst lieber zu meinem kleinen Auslandsjahr zurueck und berichte euch gerne von meinen Urlaubsplanungen. In ein paar Tagen kommen meine Eltern und mein Bruder mich besuchen. Nach fast acht Monaten ... interessant! Die Planung sagt: Dharwad, Gokarna, Hampi und wieder Dharwad. Meine Eltern bringen mir auch Sachen fuer meine viel groessere Reise mit und nehmen unter anderem vieles von mir nach Deutschland zurueck. Zwei Wochen nachdem meine Eltern wieder zurueckgeflogen sind, werde ich nach Nepal fliegen. Fuer fuenf Wochen. Dort werde ich mir die hoechsten Berge der Erde anschauen. Ewas sehr besonderes fuer mich! Ich werde einen Trek machen, der den Everest und die tibetische Grenze streift. Dabei habe ich eine Route gewaehlt, die abgesehen von dem Everest Base Camp, so wenig Touristen wie moeglich waehlen. Vielleicht habe ich nach dem Trek noch ein wenig Zeit, um mich in einen anderen Teil Nepals aufmachen zu koennen. Wir werden sehen...
In diedem kleinen Bericht werdet ihr auch ein paar Fotos von dem Farbenfest „Holi“ sehen, mit dem der „Fruehling“ und alles neue Leben gefeiert wird. Das Fest war zwar eher eine Farbschlacht als ein Fest, allerdings war das Tanzen mit den Kindern und sich gegenseitig mit Farbe zu bewerfen sehr amuesant. Schade, dass wir so etwas nicht in Deutschland haben!

Ich hoffe euch gehts gut! Namaste!

Julius

Montag, 5. März 2012

Mein Zwischenbericht

Hier mein Zwischenbericht, den ich an ICJA gesendet habe. Ich hoffe es interessiert euch! Der naechste Eintrag ist in Arbeit!


Zwischenbericht
Julius Koch
Indien, IJFD, 2011-2012
Kalkeri Sangeet Vidyalaya, Dharwad District

Der Wunsch ein Jahr im Ausland zu verbringen, war erst mitte der zwoelften Klasse aufgekommen. Nachdem zwei gute Freunde von mir ein Jahr in Neuseeland „Work&Travel“ gemacht hatten und mein Cousin ein halbes Jahr in Schottland gelebt hatte, haben vor Allem ihre Berichte und die tollen Erfahrungen mich dazu bewegt, auch ueber ein Auslandsjahr nachzudenken. Jedoch wollte ich nie in die Richtung „Work&Travel“ gehen, da mir dabei irgendetwas gefehlt hatte. Letztendlich bin ich dann auf das Freiwillige Soziale Jahr gestossen und der Gedanke als Freiwilliger in Projekten zu arbeiten, die genau auf die Arbeit von Feiwilligen angewiesen sind, gefiehl mir. Mein Auslandsaufenthalt hat dadurch fuer mich selbst an Bedeutung gewonnen.
Als es dann fest stand, dass ich fuer ein Jahr in Indien leben wuerde, hatte mich das nicht so emotional aufgewuehlt, wie ich zuvor mir vorgestellt hatte. Die Vorstellung allein war fuer mich, in dieser Situation, einfach schwer zu realisieren. Natuerlich habe ich mir viele Gedanken gemacht, darueber, dass ich fuer ein Jahr in einer ganz anderen Kultur leben werde und dass ich sicherlich auch schwere Momente haben werde. Sprache, Menschen und die Natur werden ganz anders sein. Dennoch hat der Gedanke an Indien mir keine Angst bereitet. Im Gegenteil: Die Vorstellung, dass ich viele neue Menschen kennenlernen wuerde und neue Freundschaften schliessen koennte, sowie einfach mal raus zu kommen aus dem beengenden deutschen Alltag, war einfach grandios. Fuer mich war es der erste laengere Auslandsaufenthalt und sowas wie ein Abenteuer. Besonders, dass ich eine so verschiedene Kultur kennenlernen wurde, war aufregend. Selbstverstaendlich waren mir auch meine Verpflichtungen bewusst, wie beispielweise, dass ich mit Kindern zusammen arbeiten werde und dementsprechend geduldig und als ein Vorbild auftreten muss. Auch nahm ich mir vor, mit einer gewissen Sensibilitaet gegenueber der indischen Kultur in meinem Projekt zu starten, um unangenehme Situationen moeglichst zu vermeiden. Letztendlich habe ich erst realisiert, dass ich fuer ein Jahr im Ausland leben werde, als das Flugzeug in Frankfurt abgehoben ist.
Die Vorbereitungstage des ICJA haben nicht so viel an meiner emotionalen Lage geaendert. Allerdings haben die Erfahrungen der „alten“ Freiwilligen mir geholfen, meine Ansichten ueber den Freiwilligen Dienst zu ueberdenken. Auch haben bestimmte Themen mich sensibler werden lassen und ich habe mehr ueber die Bedeutung meines Auslandsaufenthaltes erfahren. Ebenso war es eine wichtige Erfahrung, sich mit den anderen zukuenftigen Freiwilligen auszutauschen und zu erfahren, was sie erwarten und fuehlen. Ich denke der Kontakt mit den anderen Freiwilligen ist sehr wichtig, da man sich in der selben Situation befindet und sich somit eher auf der selben Ebene wieder findet.
Natuerlich ist aller Anfang schwer. Mein Projekt „Kalkeri Sangeet Vidyalaya“, eine Musikschule, die im Norden des Bundesstaates Karnataka liegt und dessen naechst groessere Stadt Dharwad ist, hat sich der Aufgabe gewidmet, sehr sozial schwache Kinder eine moeglichst breite musikalische und schulische Ausbildung zu geben. Wie der Name der Schule schon sagt, steht die musikalische Ausbildung im Vordergrund. Die Kinder lernen klassische hindustanische Musik und jeden letzten Sonntag im Monat gibt es ein sog. „Music-Programme“ , was dazu dient Spenden einzutreiben, von denen diese Schule lebt. Die Gebaeude der Schule bestehen aus Schlamm-Huetten und man fuehrt dementsprechend kein ueberschwaengliches Leben. Die Schule selbst liegt in der Naehe des Dorfes Kalkeri, mitten im Dschungel. Das ist fuer einen Naturliebhaber wie mich besonders toll, da man Tiere zu sehen bekommt, die man entweder im Zoo oder im Therarium sieht. Affen, Echsen und Schlangen gehoeren zum Alltag. Das Projekt wird von Kanadiern geleitet. Ausserdem sind wir nicht die einzigen Freiwilligen. Neben mir sind noch ungefaehr zehn andere Freiwillige da, die aus Kanada, Frankreich, England und Deutschland kommen. Wir Freiwilligen besitzen ein eigenes „Volunteers House“, wo diejenigen leben, die fuer ein Jahr bleiben. Die meisten anderen Freiwilligen bleiben bloss fuer vier Monate.
Meine Aufgabe im Projekt ist die eines Englisch Lehrers. Mein Alltag sieht so aus: Ich stehe um halb acht auf und kontrolliere morgens beim Fruehstueck die Haende und Teller der Kinder, um Krankheiten vorzubeugen und um allgemein dafuer zu sorgen, dass alles in einem moeglichst hygienischen Zustand ist. Spaeter hab ich ein bisschen Zeit mein Zimmer aufzuraeumen und um selbst zu duschen und zu fruehstuecken, da die Kinder zu dieser Zeit ihren Musikunterricht haben. Meine eigentliche Aufgabe beginnt mit der „Extraclass“, was der Nachhilfe in Deutschland fuer schwache Schueler gleicht. Die Extraclass habe ich jeden Tag ausser Sonntags und an meinem freien Tag (Montag). In jeder dieser Klassen sind mindestens zwei Schueler aus meinen Klassen und maximal fuenf, denen ich sechzig Minuten lang Nachhilfe in Englisch gebe.  Der Extraclass folgt der normale Englischunterricht. Ich unterrichte die dritte und vierte Klasse, die ich beide einmal pro Tag habe. Die Klassen umfassen jeweils fuenfzehn bis zwanzig Schueler. Es gibt keine Geschlechtertrennung, ebenso gibt es keine Schuluniformen. Die Klassenraeume sind, wie auch die Haeuser, sehr spaerlich ausgestattet. Die Tafel ist schwarz angemalt und man sitzt auf dem Boden. Meine Klassen sind zwischen 11:50 Uhr und 4:40 Uhr ueber den Nachmittag verteilt. Neben den Klassen und der Extraclass gebe ich an bestimmten Tagen weitere Englisch-Nachhilfe. Zwischen fuenf und sechs hat der Grossteil der Schueler Freizeit, manche jedoch haben „Readingclass“, in denen ich bestimmten Schuelern lesen beibringe und eine moeglichst korrekte Aussprache. Am Abend sammel ich die Hausaufgaben von den Kindern ein und sortiere sie in die Faecher der Lehrer. Einmal in der Woche gebe ich von halb neun bis zehn Uhr Computer Klassen, wo die Kinder ihre Fingerfertigkeit auf der Tastatur ueben koennen und mit „Word“ arbeiten lernen. Ich habe mich jetzt auch fuer das „Bobo-House“ gemeldet, was eine Art Krankenstation fuer die Kinder ist. Dort verarzten wir kleine Schnittwunden, allgemeine Krankheiten und Infektionen. Neben den alltaeglichen Aufgaben, veranstalten wir Freiwilligen an Sonntagen Aktivitaeten fuer die Kindern, wie beispielsweise Seifenblasen machen oder wir gehen in der Umgebung wandern. Ausserdem begleiten und betreuen wir die Schueler auf Konzerten, die ausserhalb der Schule stattfinden. Ansonsten spielen wir mit den Kindern in unserer Freizeit oder wir brauchen einfach mal eine Pause.
Anfangs war es fuer mich nicht leicht mich in den Klassen zurecht zufinden. Ich bin im August in Indien angekommen und drei Monate zuvor war ich selbst noch Schueler. Mich sofort in die Lehrerrolle hinein zu versetzen war nicht so einfach. Teilweise war mein Vorgehen im Unterricht, rueckblickend, laecherlich oder etwas uebermotiviert. Ich habe zu Beginn einfach die Schueler ueberschaetzt und bin mit zu grossen Erwartungen in den Unterricht gegangen. Allerdings ist mir der Umgang mit den Kindern leichter gefallen als erwartet. Das liegt vor Allem an den Kindern und der offenen Mentalitaet der Kinder. Ebenso die Arbeit mit den anderen Freiwilligen und mit den angestellten Lehrern und Leitern der Schule ist nicht schwierig. Vermutlich liegt dies auch daran, dass die Leitung „westlich“ ist und man sich nicht auf andere Arbeitsweisen einstellen muss. Eine deutliche Umstellung war allerdings auch das Essen! Jeden Tag Reis, Samba und Sabji. Das war manchmal nicht so einfach zu akzeptieren.
Unsere Ankunft war sehr herzlich. Eine der Leiter, die fuer die Freiwilligen zustaendig ist, hatte mir ein Taxi nach Dharwad geschickt, das mich von dem Busbahnhof abgeholt hat. Bei meiner Ankunft wurde ich direkt von den Kindern begruesst und meine Sachen wurden zu meiner Unterkunft getragen. Einen Tag spaeter hatten ich ein langes persoenliches Gespraech mit Jay, der besagten Leiterin, wo mir meine Aufgaben mitgeteilt wurden, welche Wuensche ich haette und viele Dinge mehr. Ich hatte nie das Gefuehl, dass man mir mit gewissen Vorurteilen, Vorbehalte oder was auch immer gegenueber getreten ist. Auch spaeter kam ich nie in eine Situation, die mich so etwas haette denken lassen. Ich bin sehr froh gewesen, wie leicht mir der Start gefallen ist, denn waehrend des Arrival Camps hat man sich schon, bei all den Eindruecken, seine Gedanken gemacht.
Der erste Monat war sehr aufregend fuer mich, da alles sehr neu war und nichts, auf den ersten Blick, mit Deutschland vergleichbar war. Als ich mit meiner Arbeit begann, wurde ich direkt „ins kalte Wasser geworfen“ und musste an meinem ersten Unterrichtstag mit 25 Kindern aus der dritten Klasse fertig werden. Rueckblickend war das eine gute Erfahrung, da ich so meinen eigenen Lehrstil entwickeln konnte und nicht von anderen in ihrer Lehrweise beeinflusst wurde. Die anderen Freiwilligen waren anfangs eine wichtige Stuetze fuer mich, da sie meine Fragen am besten beantworten konnten und mir in bestimmten Situationen helfen konnten. Die Erwartungen, die ich vor meinem Indien-Aufenthalt hatte, bestaetigten oder widerlegten sich schon in den ersten Wochen. Vor allem die Erwartungen, die ich an die Klassen hatte, bestaetigten sich nicht. Dies fuehrte schliesslich auch dazu, dass ich in den ersten Wochen ein ums andere Mal enttaeuscht aus den Klassen kam und mich fragte, ob der „Lehrerjob“ fuer mich das richtige sein wuerde. Allerdings hatte ich mir auch vorgenommen nicht zu schnell aufzugeben, was sich letztendlich auch gelohnt hat. Mit der Zeit ist mir meine Aufgabe vertrauter geworden und man ist entspannter in die Klassen gegangen. Zu dieser Zeit hat die Arbeit angefangen mir Spass zu machen, da ich durch meine neue Unterrichtsweise erste Erfolge gesehen habe. Fuer mich war schliesslich die Geduld der Schluessel zum Erfolg. Wenn man mit seiner Arbeit zufrieden ist und sich mit all den Menschen gut versteht, dann entsteht in einem eine innere Bindung zu der Arbeit, die man verrichtet, und man fuehlt sich ganz einfach wie zu Hause. Dieses Gefuehl ist aufgetreten, seitdem ich sehr zufrieden mit allem bin. Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen dieses Projekt zu verlassen. Ich habe jetzt zwei „Zuhause“.
Meine Reise nach Indien war meine erste groessere Reise, die ich allein unternommen habe. Indien kannte ich natuerlich bisher nur aus dem Fernsehen. Wunderschoene Landschaften, eine breite Tierwelt, tropische Temperaturen, herzliche Menschen, eine der vielfaeltigsten Kulturen der Welt, allerdings auch sehr viele Menschen, ein riesiges Muellproblem, ein ungeordneter Verkehr, viele Krankheiten, Massenarmut und die Probleme mit den Nachbarlaendern Pakistan und Sri Lanka, kannte ich vorher schon aus den Nachrichten und Doku’s der Medien. Viele Dinge haben sich bestaetigt, teilweise heftiger als ich erwartet haette. Wie beispielsweise das Muellproblem, was mir anfangs wirklich erschreckend erschien. Auch der soziale Kontrast bestaetigte sich in Dharwad heftiger, als ich es aus Bangalore, wo mein Arrivalcamp war, gekannt hatte. Ansonsten haben mich besonders die Menschen mit ihrer Hilfbereitschaft und Herzlichkeit ueberrascht. Wenn man einmal Hilfe braucht, stehen sofort ein Duzend Menschen in den Startloechern, um dir zu helfen.
Nun nach ueber einem halben Jahr in meinem Projekt, kann ich sagen, dass ich gluecklich bin. In meinen Alltag ist natuerlich sowas wie Normalitaet eingekehrt. Man hat einen Plan fuer die Klassen und an der Arbeit sind, im Allgemeinen, keine Besonderheiten mehr zu finden. Ich war nun auch schon einmal auf Reisen und habe Indien etwas naeher kennengelernt. Im Bus zu sitzen, der einen, wenn man hinten sitzt, ca. Einen halben Meter in die Luft schleudert, wenn dieser ueber einen kleinen Buckel faehrt, ist nichts besonderes mehr. Dinge, die einem vor vier Monaten besonders erschienen, sind gewohnt und man wuerdigt ihnen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit. Meine Arbeit laeuft sehr gut, obwohl es manchmal nicht so einfach ist. Allerdings weiss ich wie wichtig meine Arbeit fuer das Projekt ist. Ohne die Arbeit der Freiwilligen, koennte das Projekt nicht bestehen. Ich habe einen Stundenplan fuer meine komplette Arbeit, der mir hilft den Ueberblick ueber meine Aufgaben nicht zu verlieren. Ich hatte niemals das Gefuehl nutzlos zu sein oder gar im Weg zu stehen. Unumstoesslich ist auch die Tatsache, dass mich dieses soziale Jahr sehr veraendert. Ich lerne viel von den Kindern und teilweise habe ich, trotz all meiner Aufgaben, das Gefuehl, dass mir dieses Jahr mehr geben wird, als ich jemals in einem Jahr geben koennte. Das Gefuehl ist manchmal etwas frustrierend, allerdings troestet mich der Gedanke, dass auch die Kinder allein durch meine Anwesenheit viel lernen. Am Ende wird man sehen, was dieses Jahr aus mir gemacht hat. Bei all den Eindruecken lernt man definitiv viel ueber die Welt in der wir leben. Die Zusammenarbeit mit der Leitung des Projektes laeuft recht gut, da sie immer ein Ohr fuer uns Freiwilligen hat und uns bei Problemen unterstuetzt. Ich fuehle mich in meinem Projekt gut aufgehoben. Wir Freiwilligen, die Gruender und die Angestellten bilden eine Art „Familie“. Durch die Zusammenarbeit hat man auch einen kleinen Einblick in das Berufsleben, wie ich finde.
Meine Rolle im Projekt hat sich nicht grossartig veraendert. Da neue Freiwillige im Projekt ankommen, ist man zu einer Bezugsperson fuer kleine Probleme und Fragen geworden, so wie ich diese Bezugspersonen am Anfang auch gebraucht hatte. Ich bin seitdem ich im Projekt arbeite Lehrer und die Aufgabe macht mir weiterhin sehr viel Freude. Vielleicht bin ich fuer das Projekt im Allgemeinen wichtiger geworden, da ich an das normale Schulleben hier gewoehnt bin, was heisst: Ich kann etwas mehr Verantwortung fuer gewisse Aufgaben uebernehmen, die man an Freiwillige, die nicht so lange im Projekt leben, eher nicht anvertraut. Fuer die Zukunft plane ich, wie gesagt, in der Krankenstation aktiv zu werden, da mich diese Art von Arbeit sehr interessiert. Ich weiss auch, dass das die Schule sehr entlasten wird, da es nicht viele gibt, die diese Aufgabe uebernehmen moechten. Ansonsten hoffe ich, dass ich die Klassen bis zu einem gewissen Punkt beeinflussen kann und meine Arbeit, die ich hier geleistet habe, auch nach meiner Abreise weiterhin sichtbar bleibt.
Alles in Allem habe ich in der Zeit, wo ich hier lebe, viele Menschen kennengelernt. Viele Frewillige, die ich traf, sind meine Freunde geworden. Viele Dinge sind normal geworden und haben einen Alltag gebildet. Bei Gespraechen mit den Menschen in Indien, kann ich besser ihre Sichtweisen verstehen. Auch Reaktionen und die Kultur sind mir verstaendlicher geworden. Ich glaube auch, dass genau das uns Freiwillige von Touristen unterscheidet. Wir verstehen, durch den engen Kontakt zu den Menschen, besser und werden von ihnen auch als Freunde gesehen.

Julius Koch