Montag, 5. März 2012

Mein Zwischenbericht

Hier mein Zwischenbericht, den ich an ICJA gesendet habe. Ich hoffe es interessiert euch! Der naechste Eintrag ist in Arbeit!


Zwischenbericht
Julius Koch
Indien, IJFD, 2011-2012
Kalkeri Sangeet Vidyalaya, Dharwad District

Der Wunsch ein Jahr im Ausland zu verbringen, war erst mitte der zwoelften Klasse aufgekommen. Nachdem zwei gute Freunde von mir ein Jahr in Neuseeland „Work&Travel“ gemacht hatten und mein Cousin ein halbes Jahr in Schottland gelebt hatte, haben vor Allem ihre Berichte und die tollen Erfahrungen mich dazu bewegt, auch ueber ein Auslandsjahr nachzudenken. Jedoch wollte ich nie in die Richtung „Work&Travel“ gehen, da mir dabei irgendetwas gefehlt hatte. Letztendlich bin ich dann auf das Freiwillige Soziale Jahr gestossen und der Gedanke als Freiwilliger in Projekten zu arbeiten, die genau auf die Arbeit von Feiwilligen angewiesen sind, gefiehl mir. Mein Auslandsaufenthalt hat dadurch fuer mich selbst an Bedeutung gewonnen.
Als es dann fest stand, dass ich fuer ein Jahr in Indien leben wuerde, hatte mich das nicht so emotional aufgewuehlt, wie ich zuvor mir vorgestellt hatte. Die Vorstellung allein war fuer mich, in dieser Situation, einfach schwer zu realisieren. Natuerlich habe ich mir viele Gedanken gemacht, darueber, dass ich fuer ein Jahr in einer ganz anderen Kultur leben werde und dass ich sicherlich auch schwere Momente haben werde. Sprache, Menschen und die Natur werden ganz anders sein. Dennoch hat der Gedanke an Indien mir keine Angst bereitet. Im Gegenteil: Die Vorstellung, dass ich viele neue Menschen kennenlernen wuerde und neue Freundschaften schliessen koennte, sowie einfach mal raus zu kommen aus dem beengenden deutschen Alltag, war einfach grandios. Fuer mich war es der erste laengere Auslandsaufenthalt und sowas wie ein Abenteuer. Besonders, dass ich eine so verschiedene Kultur kennenlernen wurde, war aufregend. Selbstverstaendlich waren mir auch meine Verpflichtungen bewusst, wie beispielweise, dass ich mit Kindern zusammen arbeiten werde und dementsprechend geduldig und als ein Vorbild auftreten muss. Auch nahm ich mir vor, mit einer gewissen Sensibilitaet gegenueber der indischen Kultur in meinem Projekt zu starten, um unangenehme Situationen moeglichst zu vermeiden. Letztendlich habe ich erst realisiert, dass ich fuer ein Jahr im Ausland leben werde, als das Flugzeug in Frankfurt abgehoben ist.
Die Vorbereitungstage des ICJA haben nicht so viel an meiner emotionalen Lage geaendert. Allerdings haben die Erfahrungen der „alten“ Freiwilligen mir geholfen, meine Ansichten ueber den Freiwilligen Dienst zu ueberdenken. Auch haben bestimmte Themen mich sensibler werden lassen und ich habe mehr ueber die Bedeutung meines Auslandsaufenthaltes erfahren. Ebenso war es eine wichtige Erfahrung, sich mit den anderen zukuenftigen Freiwilligen auszutauschen und zu erfahren, was sie erwarten und fuehlen. Ich denke der Kontakt mit den anderen Freiwilligen ist sehr wichtig, da man sich in der selben Situation befindet und sich somit eher auf der selben Ebene wieder findet.
Natuerlich ist aller Anfang schwer. Mein Projekt „Kalkeri Sangeet Vidyalaya“, eine Musikschule, die im Norden des Bundesstaates Karnataka liegt und dessen naechst groessere Stadt Dharwad ist, hat sich der Aufgabe gewidmet, sehr sozial schwache Kinder eine moeglichst breite musikalische und schulische Ausbildung zu geben. Wie der Name der Schule schon sagt, steht die musikalische Ausbildung im Vordergrund. Die Kinder lernen klassische hindustanische Musik und jeden letzten Sonntag im Monat gibt es ein sog. „Music-Programme“ , was dazu dient Spenden einzutreiben, von denen diese Schule lebt. Die Gebaeude der Schule bestehen aus Schlamm-Huetten und man fuehrt dementsprechend kein ueberschwaengliches Leben. Die Schule selbst liegt in der Naehe des Dorfes Kalkeri, mitten im Dschungel. Das ist fuer einen Naturliebhaber wie mich besonders toll, da man Tiere zu sehen bekommt, die man entweder im Zoo oder im Therarium sieht. Affen, Echsen und Schlangen gehoeren zum Alltag. Das Projekt wird von Kanadiern geleitet. Ausserdem sind wir nicht die einzigen Freiwilligen. Neben mir sind noch ungefaehr zehn andere Freiwillige da, die aus Kanada, Frankreich, England und Deutschland kommen. Wir Freiwilligen besitzen ein eigenes „Volunteers House“, wo diejenigen leben, die fuer ein Jahr bleiben. Die meisten anderen Freiwilligen bleiben bloss fuer vier Monate.
Meine Aufgabe im Projekt ist die eines Englisch Lehrers. Mein Alltag sieht so aus: Ich stehe um halb acht auf und kontrolliere morgens beim Fruehstueck die Haende und Teller der Kinder, um Krankheiten vorzubeugen und um allgemein dafuer zu sorgen, dass alles in einem moeglichst hygienischen Zustand ist. Spaeter hab ich ein bisschen Zeit mein Zimmer aufzuraeumen und um selbst zu duschen und zu fruehstuecken, da die Kinder zu dieser Zeit ihren Musikunterricht haben. Meine eigentliche Aufgabe beginnt mit der „Extraclass“, was der Nachhilfe in Deutschland fuer schwache Schueler gleicht. Die Extraclass habe ich jeden Tag ausser Sonntags und an meinem freien Tag (Montag). In jeder dieser Klassen sind mindestens zwei Schueler aus meinen Klassen und maximal fuenf, denen ich sechzig Minuten lang Nachhilfe in Englisch gebe.  Der Extraclass folgt der normale Englischunterricht. Ich unterrichte die dritte und vierte Klasse, die ich beide einmal pro Tag habe. Die Klassen umfassen jeweils fuenfzehn bis zwanzig Schueler. Es gibt keine Geschlechtertrennung, ebenso gibt es keine Schuluniformen. Die Klassenraeume sind, wie auch die Haeuser, sehr spaerlich ausgestattet. Die Tafel ist schwarz angemalt und man sitzt auf dem Boden. Meine Klassen sind zwischen 11:50 Uhr und 4:40 Uhr ueber den Nachmittag verteilt. Neben den Klassen und der Extraclass gebe ich an bestimmten Tagen weitere Englisch-Nachhilfe. Zwischen fuenf und sechs hat der Grossteil der Schueler Freizeit, manche jedoch haben „Readingclass“, in denen ich bestimmten Schuelern lesen beibringe und eine moeglichst korrekte Aussprache. Am Abend sammel ich die Hausaufgaben von den Kindern ein und sortiere sie in die Faecher der Lehrer. Einmal in der Woche gebe ich von halb neun bis zehn Uhr Computer Klassen, wo die Kinder ihre Fingerfertigkeit auf der Tastatur ueben koennen und mit „Word“ arbeiten lernen. Ich habe mich jetzt auch fuer das „Bobo-House“ gemeldet, was eine Art Krankenstation fuer die Kinder ist. Dort verarzten wir kleine Schnittwunden, allgemeine Krankheiten und Infektionen. Neben den alltaeglichen Aufgaben, veranstalten wir Freiwilligen an Sonntagen Aktivitaeten fuer die Kindern, wie beispielsweise Seifenblasen machen oder wir gehen in der Umgebung wandern. Ausserdem begleiten und betreuen wir die Schueler auf Konzerten, die ausserhalb der Schule stattfinden. Ansonsten spielen wir mit den Kindern in unserer Freizeit oder wir brauchen einfach mal eine Pause.
Anfangs war es fuer mich nicht leicht mich in den Klassen zurecht zufinden. Ich bin im August in Indien angekommen und drei Monate zuvor war ich selbst noch Schueler. Mich sofort in die Lehrerrolle hinein zu versetzen war nicht so einfach. Teilweise war mein Vorgehen im Unterricht, rueckblickend, laecherlich oder etwas uebermotiviert. Ich habe zu Beginn einfach die Schueler ueberschaetzt und bin mit zu grossen Erwartungen in den Unterricht gegangen. Allerdings ist mir der Umgang mit den Kindern leichter gefallen als erwartet. Das liegt vor Allem an den Kindern und der offenen Mentalitaet der Kinder. Ebenso die Arbeit mit den anderen Freiwilligen und mit den angestellten Lehrern und Leitern der Schule ist nicht schwierig. Vermutlich liegt dies auch daran, dass die Leitung „westlich“ ist und man sich nicht auf andere Arbeitsweisen einstellen muss. Eine deutliche Umstellung war allerdings auch das Essen! Jeden Tag Reis, Samba und Sabji. Das war manchmal nicht so einfach zu akzeptieren.
Unsere Ankunft war sehr herzlich. Eine der Leiter, die fuer die Freiwilligen zustaendig ist, hatte mir ein Taxi nach Dharwad geschickt, das mich von dem Busbahnhof abgeholt hat. Bei meiner Ankunft wurde ich direkt von den Kindern begruesst und meine Sachen wurden zu meiner Unterkunft getragen. Einen Tag spaeter hatten ich ein langes persoenliches Gespraech mit Jay, der besagten Leiterin, wo mir meine Aufgaben mitgeteilt wurden, welche Wuensche ich haette und viele Dinge mehr. Ich hatte nie das Gefuehl, dass man mir mit gewissen Vorurteilen, Vorbehalte oder was auch immer gegenueber getreten ist. Auch spaeter kam ich nie in eine Situation, die mich so etwas haette denken lassen. Ich bin sehr froh gewesen, wie leicht mir der Start gefallen ist, denn waehrend des Arrival Camps hat man sich schon, bei all den Eindruecken, seine Gedanken gemacht.
Der erste Monat war sehr aufregend fuer mich, da alles sehr neu war und nichts, auf den ersten Blick, mit Deutschland vergleichbar war. Als ich mit meiner Arbeit begann, wurde ich direkt „ins kalte Wasser geworfen“ und musste an meinem ersten Unterrichtstag mit 25 Kindern aus der dritten Klasse fertig werden. Rueckblickend war das eine gute Erfahrung, da ich so meinen eigenen Lehrstil entwickeln konnte und nicht von anderen in ihrer Lehrweise beeinflusst wurde. Die anderen Freiwilligen waren anfangs eine wichtige Stuetze fuer mich, da sie meine Fragen am besten beantworten konnten und mir in bestimmten Situationen helfen konnten. Die Erwartungen, die ich vor meinem Indien-Aufenthalt hatte, bestaetigten oder widerlegten sich schon in den ersten Wochen. Vor allem die Erwartungen, die ich an die Klassen hatte, bestaetigten sich nicht. Dies fuehrte schliesslich auch dazu, dass ich in den ersten Wochen ein ums andere Mal enttaeuscht aus den Klassen kam und mich fragte, ob der „Lehrerjob“ fuer mich das richtige sein wuerde. Allerdings hatte ich mir auch vorgenommen nicht zu schnell aufzugeben, was sich letztendlich auch gelohnt hat. Mit der Zeit ist mir meine Aufgabe vertrauter geworden und man ist entspannter in die Klassen gegangen. Zu dieser Zeit hat die Arbeit angefangen mir Spass zu machen, da ich durch meine neue Unterrichtsweise erste Erfolge gesehen habe. Fuer mich war schliesslich die Geduld der Schluessel zum Erfolg. Wenn man mit seiner Arbeit zufrieden ist und sich mit all den Menschen gut versteht, dann entsteht in einem eine innere Bindung zu der Arbeit, die man verrichtet, und man fuehlt sich ganz einfach wie zu Hause. Dieses Gefuehl ist aufgetreten, seitdem ich sehr zufrieden mit allem bin. Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen dieses Projekt zu verlassen. Ich habe jetzt zwei „Zuhause“.
Meine Reise nach Indien war meine erste groessere Reise, die ich allein unternommen habe. Indien kannte ich natuerlich bisher nur aus dem Fernsehen. Wunderschoene Landschaften, eine breite Tierwelt, tropische Temperaturen, herzliche Menschen, eine der vielfaeltigsten Kulturen der Welt, allerdings auch sehr viele Menschen, ein riesiges Muellproblem, ein ungeordneter Verkehr, viele Krankheiten, Massenarmut und die Probleme mit den Nachbarlaendern Pakistan und Sri Lanka, kannte ich vorher schon aus den Nachrichten und Doku’s der Medien. Viele Dinge haben sich bestaetigt, teilweise heftiger als ich erwartet haette. Wie beispielsweise das Muellproblem, was mir anfangs wirklich erschreckend erschien. Auch der soziale Kontrast bestaetigte sich in Dharwad heftiger, als ich es aus Bangalore, wo mein Arrivalcamp war, gekannt hatte. Ansonsten haben mich besonders die Menschen mit ihrer Hilfbereitschaft und Herzlichkeit ueberrascht. Wenn man einmal Hilfe braucht, stehen sofort ein Duzend Menschen in den Startloechern, um dir zu helfen.
Nun nach ueber einem halben Jahr in meinem Projekt, kann ich sagen, dass ich gluecklich bin. In meinen Alltag ist natuerlich sowas wie Normalitaet eingekehrt. Man hat einen Plan fuer die Klassen und an der Arbeit sind, im Allgemeinen, keine Besonderheiten mehr zu finden. Ich war nun auch schon einmal auf Reisen und habe Indien etwas naeher kennengelernt. Im Bus zu sitzen, der einen, wenn man hinten sitzt, ca. Einen halben Meter in die Luft schleudert, wenn dieser ueber einen kleinen Buckel faehrt, ist nichts besonderes mehr. Dinge, die einem vor vier Monaten besonders erschienen, sind gewohnt und man wuerdigt ihnen nicht mehr so viel Aufmerksamkeit. Meine Arbeit laeuft sehr gut, obwohl es manchmal nicht so einfach ist. Allerdings weiss ich wie wichtig meine Arbeit fuer das Projekt ist. Ohne die Arbeit der Freiwilligen, koennte das Projekt nicht bestehen. Ich habe einen Stundenplan fuer meine komplette Arbeit, der mir hilft den Ueberblick ueber meine Aufgaben nicht zu verlieren. Ich hatte niemals das Gefuehl nutzlos zu sein oder gar im Weg zu stehen. Unumstoesslich ist auch die Tatsache, dass mich dieses soziale Jahr sehr veraendert. Ich lerne viel von den Kindern und teilweise habe ich, trotz all meiner Aufgaben, das Gefuehl, dass mir dieses Jahr mehr geben wird, als ich jemals in einem Jahr geben koennte. Das Gefuehl ist manchmal etwas frustrierend, allerdings troestet mich der Gedanke, dass auch die Kinder allein durch meine Anwesenheit viel lernen. Am Ende wird man sehen, was dieses Jahr aus mir gemacht hat. Bei all den Eindruecken lernt man definitiv viel ueber die Welt in der wir leben. Die Zusammenarbeit mit der Leitung des Projektes laeuft recht gut, da sie immer ein Ohr fuer uns Freiwilligen hat und uns bei Problemen unterstuetzt. Ich fuehle mich in meinem Projekt gut aufgehoben. Wir Freiwilligen, die Gruender und die Angestellten bilden eine Art „Familie“. Durch die Zusammenarbeit hat man auch einen kleinen Einblick in das Berufsleben, wie ich finde.
Meine Rolle im Projekt hat sich nicht grossartig veraendert. Da neue Freiwillige im Projekt ankommen, ist man zu einer Bezugsperson fuer kleine Probleme und Fragen geworden, so wie ich diese Bezugspersonen am Anfang auch gebraucht hatte. Ich bin seitdem ich im Projekt arbeite Lehrer und die Aufgabe macht mir weiterhin sehr viel Freude. Vielleicht bin ich fuer das Projekt im Allgemeinen wichtiger geworden, da ich an das normale Schulleben hier gewoehnt bin, was heisst: Ich kann etwas mehr Verantwortung fuer gewisse Aufgaben uebernehmen, die man an Freiwillige, die nicht so lange im Projekt leben, eher nicht anvertraut. Fuer die Zukunft plane ich, wie gesagt, in der Krankenstation aktiv zu werden, da mich diese Art von Arbeit sehr interessiert. Ich weiss auch, dass das die Schule sehr entlasten wird, da es nicht viele gibt, die diese Aufgabe uebernehmen moechten. Ansonsten hoffe ich, dass ich die Klassen bis zu einem gewissen Punkt beeinflussen kann und meine Arbeit, die ich hier geleistet habe, auch nach meiner Abreise weiterhin sichtbar bleibt.
Alles in Allem habe ich in der Zeit, wo ich hier lebe, viele Menschen kennengelernt. Viele Frewillige, die ich traf, sind meine Freunde geworden. Viele Dinge sind normal geworden und haben einen Alltag gebildet. Bei Gespraechen mit den Menschen in Indien, kann ich besser ihre Sichtweisen verstehen. Auch Reaktionen und die Kultur sind mir verstaendlicher geworden. Ich glaube auch, dass genau das uns Freiwillige von Touristen unterscheidet. Wir verstehen, durch den engen Kontakt zu den Menschen, besser und werden von ihnen auch als Freunde gesehen.

Julius Koch

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