Donnerstag, 26. Januar 2012

Indische Klänge



Die Maserung des Holzes ist klar zu sehen. Wie bei der Gitarre, sind die Linien des Holzes möglichst parallel, damit das Holz besser schwingt. Jedoch ist das Holt dicker, dadurch erscheinen die Töne fern. Man spürt und hört sie dennoch klar und deutlich. Das Holz ist mit rötlichem Lack bestrichen und mit Verzierungen versehen, die Lilien und tropische Blüten darstellen. Der Lack lässt das Holz glänzen, als würden Flammen auf der Maserung tanzen. Fein gebogene, glänzende Metallbögen sind durch Schnüre am Schaft befestigt, die die Töne kreieren. Der Schaft ist lang und in ihm sind viele kleine Metall-Seiten gesponnen, die jeden Ton exotisch wirken lassen. Die vielen Seiten können durch ebenso viele Schrauben gestimmt werden und lassen den Schaft nur noch umso breiter erscheinen. Indische Seiten werden fein und säuberlich gestimmt, dazu dienen dem Musiker kleine reich verzierte Stifte, die an den Seiten befestigt sind und oft Tiere darstellen, die die Nähe zur Natur darstellen sollen. Das Griffbrett ist allgemein viel länger und lässt viele melodische Variationen zu. Sa, Re, Ga, Ma, Pa, Re, Ni, Sa sind die Namen der Töne, die so wichtig sind. Der Runpf ist klein und rund geschwungen. Ohne den langen reich verzierten Schaft, hätte es die Form eines Balles. Man sitzt in einer bestimmten Stellung, um das Instrument halten zu können und auf dem rechten Zeigefinger trägt man ein spezielles Drahtgestell, das dazu dient einer der Hauptseiten anzuschlagen. Der rechte Daumen ist beim Spielen stets am Schaft zu fixieren und alle anderen Finger folgen den Bewegungen des rechten Zeigefingers. Kein angeschlagener Ton bleibt allein, er wird immer begleiten von einer Vielzahl von Tönen im Hintergrund. Sie können schnell klingen, verzaubern und reißen einen von der zu tiefst melancholischen Stimmung in den aller höchsten Sturm der Harmonie.
Ich spreche von dem Instrument Indiens, eines der Wahrzeichen und eines der ältesten Kulturgüter des so farbenfrohen und so lauten Landes. Schon das alte Hindureich soll von den tropischen und exotischen Klängen verzaubert worden sein. Heute trifft man es auf jedem klassischen Konzert der indischen Musik und was wahre Musiker mit diesem Instrument anstellen können ist nahezu unglaublich. Viele Kinder hier spielen es. Ihr wisst wovon ich spreche. Die Sitar.

Es ist Donnerstag. Morgens werden Hausaufgaben korrigiert. Mal wieder. Die englischen Zeitformen sind nicht so jedes Kindes Stärke. Die vierte Klasse ist gute und lernt fleißig. Bei der dritten wird noch experimentiert. Es kommt stets auf die Metodik an. Ich bin kein Lehrer, dennoch sehe ich eine Besserung, der, wenn nicht gar schwierigsten Klassen der Musikschule. Extraclass mit den Viertklässlern ist für uns alle immer Spaß pur. Im Anschluss die dritte Klasse, die am Tag meine meiste Energie raubt. Nicht aufgeben! Ich sehe kleine Erfolge und auch kleine Schritte führen zum Ziel. Mittagessen: Reis, Samba, Sabjé. Ich wasche mir meistens schonmal die Füße, denn nach der vierten Klasse bleibt nicht viel Zeit. Die vierte Klasse, gemeinsam mit Deepa, der neuen indischen Lehrerin: Natürlich! Englische Zeiten. Die Klasse gibt sich Mühe und knackt so langsam die Unterschiede. Öfters muss ich Deepa's Englisch verbessern. Die Stunde ist vorbei. Jemand schlägt mit einer großen Schraube gegen das Stück Schiene der indischen Eisenbahn, das die Schulglocke symbolisiert. Ich muss schnell den Klassenraum verlassen, denn es wird Zeit. Schnell in mein neues , eigenes Zimmer. Kleiner Rucksack, Stoffbeutel, Ganesh-Tasche und Notizbuch. Geld habe ich immer schon in meiner Ganesh-Tasche. Schuhe angezogen und auf geht’s. Achja! Meine Softshelljacke! Es könnte kalt werden heute Abend. Es geht runter ins Dorf, wo ich mir noch eben eine Coke oder ähnliches kaufe, dann mit dem Bus nach Dharwad.

Ich habe „Sitarclass“. Mein Lehrer ist ein sehr bekannter Sitarspieler und ich habe die Ehre bei ihm Unterricht haben zu dürfen. Sein Name ist Hameed Khan. Sein Großvater war in ganz Indien berühmt für seine Sitarmusik. Die ganze Familie Khan hat sich dem Sitarspiel gewidmet. Alle samt sind Musiker. Mein Lehrer hat nicht nur in Indien Konzerte gegeben, sondern gab auch unter anderem in Deutschland, Frankreich, Italien, Holland und Amerika Konzerte. Er kennt mein Projekt sehr gut, denn er hat eine enge Freundschaft zu der Gründerfamilie, die im Jahre 2002 diese Schule gründete.
Ich steige am „Mainbusstation“ in Dharwad aus und mache mich auf den Weg zum „City-Busstand“, der ca. dreihundert Meter von dem anderen Busstand entfernt ist. Man braucht dennoch, auf Grund der Menschenmassen, fünf Minuten für diese Strecke. Vom „City-Busstand“ aus nehme ich einen Bus Richtung Bahnhof und steige in „Yamikeri“ aus. Einem Musikerviertel. Dharwad und Hubli sind in ganz Indien berühmt für ihre klassische Musik. Wenn man die Hauptstraße verlässt und sich in einen der kleineren Gassen wiederfindet, dann dringt von überall aus den Häusern Sitar-, Tabla-, Geigen- und Harmoniummusik an die Ohren. Auch indischer Gesang ist dabei. Die Atmosphäre ist allgemein sehr schön, da überall in den kleinen Gassen bunte Blumen wachsen und Kühe und Hunde in den Schatten der Straßen liegen. Ab und zu ist auch mal ein Stier dabei, was schon ein mulmiges Gefühl in mir weckt, wenn ich einen solchen ausgewachsenen Koloss passiere. Aber sie sind immer sehr friedlich. Alles andere würde mich bei der alles umgebenden Musik auch wundern.
Ich klingel an der Tür. Nicht viele Häuser haben Klingeln. An einem kleinen Schild rechts neben der Tür steht in goldener Schrift: „Hameed Khan – Sitarist“ Die Tür geht auf. Mein Lehrer steht vor mir, erblickt mich, lächelt und sagt „Ah!“. Er deutet auf die gewundene Treppe, außen am Haus, die für Besucher oder Schüler in den zweiten Stock führt. Mr. Khan bisitzt ein eigenes Musikzimmer, das ausschließlich zum üben gedacht ist. Neben fünf Sitars in einem Regal stehen in dem Raum noch drei bis vier Tablas, zwei Harmonien, eine Gitarre, eine Musikanlage und zahlreiche Bücher. Der Raum ist sehr schön, da die Wände überwiegend aus Fenstern bestehen, die mit typisch indischen Mustern verziert sind. Es ist sehr ruhig in der Nähe des Hauses, was einen entspannt und auf die kommende Musik einstimmt. Hameed Khan hat auch Söhne, die alle älter als ich sind und auch schon Sitarspieler sind. Wenn ich eintreffe, sind sie manchmal im Musikraum und üben, verlassen aber mit einem freundlichem Lächeln den Raum, sobald ich eintrete.
Mein Lehrer taucht meistens fünf Minuten später auf. Anfangs besteht der Unterricht daraus, dass man immer wieder in verschiedenen Formen die Tonleiter auf und ab spielt. Anfangs habe ich eines gemerkt: Ich sollte öfters zu Hause im Schneidersitz sitzen. Bei der richtigen Haltung ist es gesund und dehnt auch die Bänder. Beim Sitarspiel schlägt man das rechte Bein über das Linke und das Linke winkelt man nahe an den Körper an, sodass man den Rumpf der Sitar auf die linke Fußsohle legen kann. Wenn man nun den rechten Arm auf den Runpf legt und den Daumen auf die unterste Stelle des Griffbrettes legt, dann ist es nicht mehr nötig das Instrument festzuhalten. Das Instrument balanciert sich entspannt selbst zwischen Fußsohle und rechten Arm und Daumen. Diese Stellung erinnert etwas an die Haltung beim klassischen Gitarrenspiel. Natürlich spielt man barfuß. Der Unterricht ist sehr ruhig. Oft spielen wir zusammen, was sich sehr schön anhört. Meine Stunde dauert eine Stunde.
Durch den sehr persönlich Unterricht bekommt man einen tiefen Einblick in die indische Kultur und in die indische Musik. Man lernt noch mehr Instrumente klingen, die alle sich in ihrer Spielweise, Form und Klang unterscheiden. Durch den Unterricht habe ich auch die Möglichkeit Freunde meines Lehrers kennenzulernen, die aus vielen verschieden Ländern kommen. Beispielsweise war im letzten Monat ein Franzose zu Gast, der schon seit achtzehn Jahren nach Indien kommt, um der indischen Musik nahe zu sein.
Nach meiner Unterrichtsstunde gehe ich meistens in Dharwad noch was Essen und kaufe ein paar Lebensmittel ein. Das Sitarspiel macht mir sehr viel Spaß. Deshalb werde ich bald auch stolzer Besitzer einer eigenen Sitar sein. Dank meiner Eltern, die mich in dieser Sache netterweise finanziell unterstützen. Ein Sitar, später in meinem Zimmer zu Hause oder in einer WG, ist sicherlich schön anzuschauen. Abends bei zahlreichen Musikstunden mit den anderen Freiwilligen, werde ich zukünftig wohl auch mal zur Sitar, anstelle von der Gitarre, greifen. Gitarre und Sitar lassen sich, wie ich vermute, auch gut kombinieren!

Viel Neues habe ich ansonsten nicht zu berichten. Ich bin gerade dabei meine nächsten Schritte zu planen, wenn ich wieder in Deutschland bin. Auch bin ich gerade an dem Punkt angekommen, von dem man sagen könnte es ist gerade Halbzeit. Klingt mal wieder lang und zugleich kurz... Ich weiß gerade nicht, ob ich schon über meine nächste Reise gesprochen habe. Mein Plan sieht vor, dass ich im Mai für fünf Wochen nach Nepal gehe. Was ich dort tun werde, können sich die, die mich kennen sicherlich denken! Denjenigen, die sich keine Vorstellung machen können, gebe ich einen Tipp: Berge!

Ich hoffe es geht euch allen gut. Die Tage in Deutschland werden ja nun auch immer länger und es wird bald auf den Frühling zugehen. Meine Familie wird im April kommen und wir werden zusammen Kerala, Hampi und Dharwad bereisen.

Ansonsten: Bis Bald und alles Gute!

Julius

Montag, 16. Januar 2012

Gestern


           
                                                Es war ein Tag, er war blau und klar,
                                                Wir lieben Dinge, die wir verstehen.
                                                Auf der Schwelle die reglos junge Frau,
                                                Zwischen uns ist man allein.
                                               
                                                Die Hunde mögen keine Fremden,
                                                Der Lebensweg ist zu verschieden.
                                                Der Gruß, das Lächeln, überall einsam,
                                                Zwischen uns ist man allein.
                                               
                                                Die Farben so bunt, der Tanz die Harmonie,
                                                Man steht in Scharr, dicht an dicht.
                                                Doch raus aus dem Rahmen kommt man nicht,
                                                Zwischen uns ist man allein.
                                               
                                                Die Religion verzaubert und beherrscht,
                                                Man lebt für sie und gibt sich hin.
                                                Es ist nicht vorstellbar aus dem mir Bekannten,
                                                Zwischen uns ist man allein.
                                               
                                                Die Jüngsten so nah, die Sprache so fern,
                                                Sie werfen hoch, sie lassen fallen.
                                                Wahre Emotionen halten uns gefangen,
                                                Man ist niemals allein.
                                               
                                                Das Kerzenlicht bestimmt die Gefühle,
                                                Wie auch Gitarrenspiel und ruhige Gespräche.
                                                Zusammen sind wir alle,
                                                Man ist niemals allein.