Freitag, 7. Oktober 2011

Meine kleine indische Dichtung


Für den Sohn des Brahmanen und Hermann Hesse.



Dem Wasser folgt die Sonne,
Blätter sich im Winde wiegend.
Er, der mich berührt, ist willkommen,
Denn er kühlt in der Morgenwärme.

Der Himmel so blau und nah,
Wolken zum greifen über uns schwebend.
Diesen Moment kennt Siddhartha,
Es ist sein Eigen, seine Schönheit.

Der Sonne folgt das Wasser,
Vom Dache und den Blättern tropfend.
Alles umgebend, beginnt man zu spüren,
Dass das Grüne einen wärmt.

Nun greift der Himmel nach dir,
Graue Arme streicheln über Blätterdach und Palmen.
Diesen Moment kennt Siddhartha,
Es ist sein Eigen, seine Schönheit.

Steine wärmen die Nacht,
Wo die Sonne sie erhellte.
Die Nacht hat ihr eigenes Lied,
Die kleinen Kinder Indiens singen.

Der Himmel offenbart dir sein Geheimnis,
Milliarden Juwelen dir geschenkt.
Diesen Moment kennt Siddhartha,
Es ist sein Eigen, seine Schönheit.

Volle Straßen, die dich verschlingen,
Mit Gerüchen betören und küssen.
Sie helfen, betrügen, tanzen, lachen,
lassen einen niemals unberührt.

Sie fürchten die Weiten des Himmels,
Schenken ihre Liebe ihrem Heim.
Diese kennt Siddhartha,
Sie sind sein Eigen, seine Schönheit.

Samstag, 1. Oktober 2011

Eine andere Seite Indiens

Der Drache ist rot. Naja … nicht ganz, ein kleiner Teil des gelblichen Schriftzuges „Indian Post“ lässt sich noch erkennen, wenn der Drachen, bei seinem sanften Schwingen, im idealen Winkel zur Sonne und dem umgebenden blauen Himmel steht. Der rote Drache muss früher einmal das Leben einer Plastiktüte gefristet haben. Zusammengehalten wird er durch zwei Bambusstäbe, die so zusammengeflochten sind, dass sie ein Kreuz bilden. Der Drache ist nicht frei. Er ist gebunden. Er ist gebunden an eine zwanzig Meter lange Kordel, die von einem kleinen Jungen gehalten wird.
Auch der Junge ist gebunden, an seine Kaste. Er steuert den Drachen von einem kleinen Wellblechdach aus. Wenn man in den Eingang dieser kleinen Unterkunft blickt, erkennt man, dort wo das Licht hinfällt, eine kleine Kochstelle, ein, aus Seil und Brettern zusammen geflochtenes, Regal und eine, am Boden liegende, Chetai. Dieser Ort ist nicht größer als neun Quadratmeter und ist das Zuhause für eine ganze Familie. Es ist, wie die kleinen Häuser in Kalkeri, bunt angemalt und sieht trotz dieser verschwindenden Größe einladend und freundlich aus. Der Drache vollführt eine Schraube und der Junge, der bereits bemerkt hat, wie ich ihn angaffe, lacht mir zu und bietet mir seinen roten Drachen an. Er trägt eine dreckige, löchrige Hose und ein schmuddeliges blaues Hemd. Sein schwarzes Haar fällt ihm in die Stirn und in seinem Gesicht zeichnet sich, trotz der spärlichen Lebensverhältnisse, die pure Glückseligkeit ab. Um seine Handgelenke trägt er viele Armbänder, die die enge Freundschaft zu einem anderen Menschen symbolisieren. Obwohl der kleine Junge kaum etwas besitzt, bietet er mir seinen einzigen Schatz, den Drachen, zum spielen an. Er ist breit zu teilen, auch wenn es nicht viel ist, was er besitzt. Ich lehne sein Angebot lächelnd ab und gebe ihm zu verstehen, dass ich lieber dem Drachen beim Fliegen zu sehen möchte. Ich würde ohnehin den Drachen in den nächst besten Baum fliegen lassen.
Doch ein anderer Junge würde liebend gern mit dem Drachen spielen. Neben der kleinen Blechhütte, auf der der kleine Junge seinen Drachen steigen lässt, grenzt ein Haus an. Es ist umgeben von einer großen Mauer, die reich verziert ist. Die Größe des anliegenden Gartens, den die Mauer ebenfalls umschließt, lässt sich nur erahnen. Das Haus selbst ist groß und wirkt auf mich sehr modern. Ein Großteil der Fassade besteht aus Glas und vor dem Haus steht ein neues Auto. Im vorderen Teil des Gartens lässt sich ein Swimmingpool erkennen. Das Gebäude ist im Ganzen weiß gestrichen und, wie die Mauer, mit vielen prunkvollen Farben verziert. Es besitzt zur Straße hin einen großen Balkon, auf dem sich wahrscheinlich die gesamte Straße überblicken lässt. Auf diesem Balkon steht ebenso ein kleiner Junge der so gerade über die Balustrade blicken kann und dem Jungen mit dem Drachen neidisch zusieht. Er fragt seine Mutter, die teure Gewänder und Schmuck trägt, der bis zu mir hinüberglitzert, ob er zu dem Jungen auf dem Wellblechdach gehen dürfe. Obwohl auf Kannada oder Hindi gesprochen wurde, lässt sich diese Frage eindeutig herausinterpretieren. Doch er darf nicht. Seine Mutter lässt ihn lieber hinter seinem prunkvollen Palast verbarrikadiert, anstatt ihn zu diesem geringeren Jungen hinunter zu lassen.
Kontraste, wie dieser mir in einer der Nebengassen von Dharwad begegnet ist, gibt es in Indien in vielen verschiedenen Ausführungen. Sei es ein Bettler vor einem großen Luxushotel oder ein kleines Kind, das uns „Weiße“ im Busbahnhof nach Geld fragt. Aus einer der indischen Kästen heraus zu kommen ist sehr schwer. Meist ist dies nur durch eine Heirat oder ähnlichem möglich. Es ist jedoch nicht so, dass Menschen aus einer der unteren Kästen nicht gesellschaftlich akzeptiert sind. Es ist nur so, dass es meist sehr schwer ist seinen sozialen Standard zu heben. Im „normalen“ Leben hier, hat alles eine feste Ordnung. Jeder findet sich mit seiner gesellschaftlichen Rolle ab, so wie sie ihm gegeben ist. Ein Arbeiter wird stets ein Arbeiter sein und ein reicher Geschäftsmann stets ein reicher Geschäftsmann. Natürlich könnte ein Arbeiter versuchen sich in einer Weise selbstständig zu machen, dies ist meist aber durch das gesamte System nicht möglich und würde gesellschaftlich verurteilt werden. Durch dieses System entsteht des Öfteren auch eine Kluft zwischen Arm und Reich.
Nicht nur das System der Käste bestimmt das tägliche Leben, sondern, wie in fast allen Ländern auch, herrscht das Geld. In der indischen Politik ist Korruption ganz normal. Korruption wird in der Bevölkerung zwar verurteilt und öfters taucht schließlich auch einer aus der Masse an Politikern auf, der verspricht den Staat aus dieser Krise zu führen, doch diese Bewegungen enden meist alle gleich. Sie scheitern. Zumal die Leute öfters selbst in solchen Affären verstrickt sind. Das Geld hat dann doch einen zu großen Einfluss. Korruption findet man überall. Bei der Polizei, in der Politik, sogar bei der Post. Oft macht es keinen Sinn auf gewisse Rechte zu bestehen, denn viele Dinge sind fest in der Gesellschaft verankert und werden von dem Großteil der Bevölkerung getragen. Jeder ist stets auf seinen eigenen Vorteil aus und der Rest ist nicht von Interesse. Natürlich gibt es Ausnahmen, doch die Anzahl derer ist so verschwindend gering, dass der Einfluss auf die Menschen unbemerkt bleibt. Man ist also schließlich gezwungen Dinge wie Korruption einfach hinzunehmen, da diese sich nicht so schnell ändern werden. Geld regiert dann doch die Welt. Als Händler versucht man stets den best möglichen Gewinn herbei zu feilschen und wir Freiwilligen zahlen meist mehr als ein normaler Bürger. Der Korruption folgt also der Betrug. Man bekommt irgendwann ein Gespür dafür, wie viel nun dieser Stoff wirklich wert ist und wie viel man für zehn Bananen zahlen sollte.
Eine Familie, die nicht genug Geld verdient um den Monat zu überstehen, muss schließlich die eigenen Kinder arbeiten schicken. Diese trifft man wieder einmal am Busbahnhof an, wo sie mit Körben umherziehen und billiges Spielzeug, Obst oder teilweise streng riechenden Fisch verkaufen. Es ist klar, dass sie nebenbei nicht zur Schule gehen können. Schließlich besteht für das Kind selbst später die Gefahr, dass es, wenn es älter ist, in eine niedere Kaste absteigt.
Mal ganz abgesehen von den sozialen Missständen, herrschen in Indien weitere gravierende Probleme. Zum einen ist da das riesengroße Müllproblem, das vor allem am Anfang beeindruckend ist. Überall liegt Müll. Am Straßenrand, auf der Straße, auf dem Bürgersteig, in manchen Gärten, einfach überall. Das liegt daran, dass es in Indien keine Mülleimer gibt, woraus man schließlich zurückzuführen kann, dass es ebenso keine Mülltrennung und keine Verbrennungsanlage gibt. Der Müll wird gesammelt und einfach auf der Straße verbrannt. Was das für die Umwelt bedeutet, ist klar. Für mich ist es alles andere als leicht den Müll auf die Straße zu werfen, jedoch habe ich keine Wahl. Was man als Freiwilliger unternehmen kann ist: So wenig Produkte kaufen wie möglich, die aus Plastik bestehen. Wenn man einen Snack oder ähnliches kaufen möchte, besorgt man sich am besten Obst.
Wie schon einmal erwähnt, hat zumindest die Region, wo ich lebe ein Hundeproblem. Hunde vermehren sich hier unkontrolliert. Das hat viele Folgen. Angefangen bei den Impfungen in Deutschland. Der Hauptgrund für die Tollwut Impfung sind die streunenden Hunde. Zwar habe ich noch keinen Hund gesehen der irgendwelche Anzeichen für Tollwut hatte, dennoch halte ich es für gut möglich, dass diese Symptome hier schnell auftreten können. Die Hunde leben unter sehr schlechten Umständen. In den Städten findet man sie oft dort, wo es viel Müll gibt. Sie fressen Plastik und andere Dinge, die sie krank machen. Viele Tiere sind auch verletzt und laufen öfters mit gebrochenen oder ausgerenkten Beinen durch die Straßen. Nicht selten werden sie Opfer durch Revierkämpfe oder werden einfach vom Auto überfahren. Die Menschen hier interessiert das meist nicht, ob sie gerade einen Hund angefahren haben oder nicht, denn sie werden zumindest in den Städten als Parasiten angesehen. Allein die Schule hat sechs Hunde und früher waren es viel mehr. Im Dorf ist es, wie ich finde, unmöglich die Anzahl aller Hunde bloß zu schätzen. Einen Tierarzt, der sich um die Hunde kümmert, wird man hier in der weiteren Umgebung nicht finden.
Dies sind noch lange nicht alle negativen Seiten Indiens. Man könnte bei dem Verkehr weiter machen, der jährlich viel zu viele Todesopfer fordert. Man muss sich aber natürlich stets vor Augen führen, dass Indien ein Land ist, das noch in der Entwicklung steht und, wenn überhaupt, von manchen gerade mal als Schwellenland bezeichnet wird. Es ist falsch Indien politisch oder gesellschaftlich mit Deutschland zu vergleichen. Viele Einflüsse spielen in diese Kategorien ein, wie Kultur oder Menschenbild. Zumal Deutschland auch viele Probleme hat, zwar andere Probleme, die aber genauso von Belangen sind. Denn Deutschland befindet sich wie jedes andere Land im Bestreben ein ideales System zu finden. Ich bin jedoch skeptisch, ob so was, bei der Masse an Menschen, überhaupt möglich ist. Dennoch bin ich froh in Deutschland aufgewachsen zu sein, denn die Kinder hier werden niemals dieselben Möglichkeiten haben, die ich für meine Zukunft habe. Mir ist auch der Wohlstand bewusst geworden in dem ich lebe, an den ich immer gewohnt war, der mir nun aber klar geworden ist. Es ist jedoch auch schön in niedrigen Lebensumständen zu leben, denn dadurch lernt man ebenfalls die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Der rote Drache, der mir in Dharwad begegnet ist, war somit in diesem Moment auch etwas Besonderes.

Julius

PS: Bilder kommen auch hier später.