Auf dem Weg zum Kongma La |
Bergpanorama von Dingboche |
Ich befinde
mich auf 5400 Meter, noch 200 Höhenmeter vom Passglück entfernt. Mein Ziel ist
der Kongma La, einer der drei Pässe auf meinem Treck und Hindernis auf meinem
Weg nach Lobuche. Es ist mein erster Pass und auch noch der Höchste. Um mich
herum stehen die Berge, die die Höchsten der Erde sind. Ihre Schönheit lässt
sich nicht in Worte fassen. Weit und breit ist außer Nagan und mir keine
Menschenseele zu erkennen. Die Sonne ist gerade aufgegangen und ein sehr großer
Mond verschwindet gerade hinter der Cholatse-Kette. Wir haben leider Neuschnee,
was den Aufstieg etwas erschwert. Aber es sind ja jetzt nur noch 200
Höhenmeter, also noch ein bisschen mehr als eine Stunde Aufstieg. Wir passieren
die Eisseen des Kongma Tse und können dann plötzlich unser Ziel sehen. Die
Gebetsfahnen flattern ca. 150 Meter höher. Der Weg dorthin führt an einer
senkrechten Felswand empor, bei der man sich fragt, wie man dort ohne Seil
hinaufgehen soll. Ein schmaler Steig, von Eis bedeckt, führt die letzten Meter
zum Pass. Ich bin in meinem Leben noch nie in dieser Höhe gewesen. Es ist eine
besondere Erfahrung. Nur noch 50 Höhenmeter. Einfach, einen Fuß vor den Anderen
setzten, funktioniert nicht mehr. Im Geist sage ich bei jedem Aufsetzen meiner
Füße: 1,2,1,2,1,2-Pause-1,2,1,2,1,2-Pause usw.
Passglück |
Die Aussicht
ist einfach nur gigantisch. Auf der linken Seite liegt das Chukung-Tal. Ama
Dablam, Lhotse, Nuptse, Makalu und der Island Peak strahlen mir entgegen. Vom
Pass aus kann ich weit nach Tibet sehen. Unten, zu meiner Rechten, fließt der
riesige Khumbu-Gletscher hinab und transportiert, zum Teil, haushohe Felsen,
auf Bergen von Schutt, das Tal hinunter. Den Gletscher muss ich heute noch
überqueren…. Es lassen sich auch die Ausläufer des Pumori und des Cho Oyu
ausmachen. Die Gebetsfahnen werden von der Sonne angeschienen und lassen ihre
Farben, im Kontrast zum dunklen Himmel, leuchten. Ich bin sehr erschöpft und
mache wieder nur ein paar schnelle Fotos. Nagan drängt zum Aufbruch. Der Khumbu
hat, wegen der Höhe der Berge, sein eigenes Wetter. Die ersten kleinen Wolken
zeigen sich an den Gipfeln der Berge. Wir sollten uns beeilen!“
Das ist ein
kleiner Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch, das ich, auch auf meinem Treck,
bei mir hatte und wo ich jedes Mal, nach einer Etappe, hinein geschrieben habe.
Ich war im Khumbu für drei Wochen unterwegs. Allein mit meinem Guide Nagan Rai,
mit dem ich eine drei-Pässe-Tour gemacht hatte, was uns, so gut wie, in jede
Ecke des Khumbus geführt hat. Im Gesamten war ich auf meiner Nepalreise ganz
alleine unterwegs. Zumindest offiziell. Auf meinem Treck, sowie während meiner
Zeit in Katmandu, habe ich viele Menschen kennengelernt und bin auch manchmal
eine gewisse Zeit mit diesen Leuten zusammen gereist. Es war toll so viele
Menschen von den verschiedensten Teilen der Erde kennenzulernen und sich
auszutauschen. Man erfährt viele Dinge und es ist sehr interessant, einen
kurzen Einblick in das Leben der Personen zu erhaschen. Der Treck war mit
Sicherheit das Highlight meiner Reise. Für jemanden, wie mich, der viel
Klettern und Bergsteigen geht, ist der Himalaya etwas ganz besonderes. Früher
als Kind haben mich Berichte über das Extrembergsteigen sehr interessiert und
die Bilder, in all den Büchern, konnte ich mir ewig anschauen. Es war seitdem
immer einer meiner größten Wünsche diese Eisriesen zu sehen.
Besonders
die Zeit mit Nagan Rai war sehr schön. Nagan ist 26 Jahre alt und betreibt mit
seinem Cousin Bachan ein kleines Guide-Unternehmen für Trekkingtouren. Für jemanden, der nach einem guten Guide für
Nepal sucht, ist bei Bachan und Nagan an der richtigen Adresse. Nagan war eine
lange Zeit Träger, bis ihm ein Paar aus München einen einjährigen Englischkurs
gesponsert haben. Heute spricht Nagan ein sehr gutes Englisch, was mir auch
sehr zu Gute kam, da ich so jemanden hatte, mit dem ich mich auf dem Weg
unterhalten konnte. Nagan ist auch gerade dabei Deutsch zu lernen und auf
meinem Treck habe ich auch die eine oder andere Deutschstunde gegeben. Oft
saßen wir aber einfach nur abends zusammen und haben mit den anderen Trägern
und Guides Karten gespielt.
Etwas, woran
ich mich auf dem Weg schwer gewöhnen konnte, war der Temperaturunterschied zu
Südindien. Teils hatten wir in den höheren Lodges höhere Minusgrade, sodass ich
froh war den Daunenschlafsack dabei gehabt zu haben. In Indien war ich zuvor
Temperaturen von um die 40°C oder heißer gewöhnt. Das kalte Wetter in den Bergen war anfangs also ein ziemlicher Schock.
Katmandu's Durbar Square |
Die Zeit
nach dem Treck habe ich in Katmandu verbracht. Ich habe mir zahlreiche Stupas
oder Königspaläste, die sog. Durbar Squares, angesehen. Besonders die
verzierten Holzarbeiten an den Palästen haben mir sehr gefallen. Das Gebiet in
und rund um Katmandu hat viel an Kultur zu bieten, sodass man auch vermehrt
andere Touristen trifft. Für mich waren die schönsten Orte die Stadt Bhaktapur,
welche berühmt für seine Metallarbeiten ist und ehemals sehr von der Handelsstrecke
profitierte, die von Indien nach Tibet führte. Auch Patan war toll anzuschauen,
welches bekannt für seine Seiden- und Stofftücher ist. Die berühmteste Stupa
Nepals ist sicherlich die Boudnath Stupa, die sich im Osten der Stadt erhebt
und von weither sichtbar ist. Besonders am Spätnachmittag, während des
Sonnenunterganges, wird das weiße Bauwerk von der rötlichen Sonne angeschienen
und bietet einen bezaubernden Anblick.
Boudnath Stupa |
Die Zeit in
Nepal hat mir sehr gut gefallen, was besonders auch an den Menschen lag.
Oftmals hatte ich den Eindruck, dass viele sehr viel hilfsbereiter sind und
eher mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht auf einen zu kommen.
Allerdings habe ich auch nur zum Großteil den Vergleich zu Dharwad, wo kein
einziger Mensch an einen Ausländer gewöhnt ist und viele auch einfach nicht
wissen, wie sie sich in Gegenwart eines Fremden verhalten sollen. Ansonsten hatte
ich den Eindruck, dass sehr viel zu Indien vergleichbar ist, allerdings in
abgeschwächter Form. Die Straßen und Flüsse waren weniger verschmutzt und die
Dimensionen an Menschen und Häusern einfach nicht so riesig.
Die
Ähnlichkeit liegt natürlich zum einen an der Nachbarschaft der beiden Länder,
aber auch zum anderen an den sehr guten Beziehungen. Indien ist quasi der große
Bruder Nepals und für viele Nepali auch ein Vorbild. Mittlerweile brauchen
Inder, wie auch Nepali, nicht mal mehr ein Visum, um in das benachbarte Land
einzureisen. Die guten Verhältnisse der beiden Länder sind besonders durch die
Handelsbeziehungen begründet. Nepal muss aufgrund der wenigen Möglichkeiten,
eigene Dinge zu produzieren oder herzustellen, viele Dinge importieren. Güter
werden natürlich besonders aus Indien eingeführt. Die einzige
Haupteinnahmequelle ist für viele Nepali einfach der Tourismus. So gibt es vor
Allem in Katmandu und Pokhara viele Travel-Agenturen, die Rafting-, Kletter-
oder Trekkingtouren anbieten und sich direkt auch sofort um die Flüge in das
jeweilige Gebiet kümmern.
Alles in
Allem hatte ich in Nepal eine sehr schöne Zeit und habe viele Menschen
kennengelernt. Sicherlich werde ich auch nochmal wieder kommen, um dann
vielleicht mal ein bisschen mehr als Trekking zu wagen. Nach fünf Wochen reisen, hatte ich mich aber schon
wieder nach einem vertrauten Gesicht gesehnt und war auf der einen Seite auch
froh, wieder zurück nach Indien zu fliegen und in mein Projekt zurück zu
kehren.
Praveen als zweitbester Schüler der 5.Klasse |
Nun hatte
ich das letzte Mal auch von einem gewissen Sponsorship erzählt. Sponsorship
bedeutet in diesem Fall Patenschaft. Als meine Eltern mich in meinem Projekt
besuchten, kam die Idee auf, eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. Das
heißt genauer, dass wir monatlich Geld an die Schule schicken. Das Geld geht
nicht nur speziell an das eine Kind, sondern wird gerecht, für alle Kinder,
verwendet. Nachdem meine Eltern wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind,
hatten sie der Patenschaft zugestimmt und seitdem sponsern wir den 6.Klässler
Praveen. Praveen hat zwei Schwerstern, von denen eine auf eine staatliche
Schule geht und die andere noch ein Baby ist, außerdem hat er einen älteren Bruder,
der in einem „Medicalshop“ arbeitet. Praveen kam 2009 in die Schule und sprach
nicht das geringste Englisch. Praveen’s Vater arbeitet in einem Steinbruch, wo
er kaum Geld verdient, sodass die Familie zu einer sehr armen Schicht gehört.
Mittlerweile scheint sich sein Vater das Bein gebrochen zu haben und muss zu
Hause genesen, sodass zurzeit nur der ältere Bruder Geld nach Hause bringt.
Praveen’s Mutter geht keinem Beruf nach, sondern kümmert sich, wie die
Gesellschaft es will, um den Haushalt. Mittlerweile ist Praveen einer der
Besten in seiner Klasse, oder wenn nicht DER Beste. Praveen lernt auch ein
Instrument, nämlich Tabla, das wohl berühmteste Trommelinstrument Indiens.
Praveen selbst sagt, dass er sich in der Schule sehr wohl fühle. Es gäbe hier
keinen derartigen Konkurrenzkampf, wie auf seiner alten Schule, was ihm sehr
helfe. Er sei froh in diese Schule gekommen zu sein und sei seitdem glücklich.
Bild von Praveen |
Für mich selbst ist dieser Sponsorship etwas Besonderes. Auf diese Weise bleibe ich mit der Schule in Kontakt und werde auch weiterhin über Neuigkeiten informiert. Auch ist es schön mit einem Schüler für die nächsten Jahre in Kontakt zu bleiben. Ich kennen Praveen nun seit fast einem Jahr und haben ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Manchmal sitzen wir zusammen und unterhalten uns über sein Zuhause und seine Familie oder auch über Deutschland und schließlich dann auch über die ungleichen Verhältnisse, die in Indien und Deutschland herrschen. Ich bin mir sicher, dass Praveen irgendwann auf das Kollege gehen wird und später einmal einen Beruf ergreifen wird, der ihm ein gutes Leben ermöglichen kann. Ich hoffe auch, dass wir über den Sponsorship hinaus in Kontakt bleiben. Noch weiß Praveen nichts davon, dass ich ihn sponsere oder er lässt es sich zumindest nicht anmerken. Vermutlich würde ihm das sowieso noch nicht viel sagen, was genau es bedeutet gesponsert zu werden. An Feiertagen oder an seinem Geburtstag wird er uns mal einen Brief schreiben und dazu ein Bild malen. Natürlich werden wir ihm auch schreiben.
Als ich
zurück in die Schule kam hatte sich einiges verändert. Ich unterrichte nun die
2., 3. und 5. Klasse. Jeden Tag. Glücklicherweise werden keine Hausaufgaben
mehr aufgegeben, sodass ich die wenigstens nicht mehr kontrollieren muss. Die
Klassen laufen soweit ganz gut. Die 2. Klasse muss noch verstehen, dass ich
zwar immer noch ihr Freund, allerdings nun auch ihr Lehrer bin. Da gibt es noch
ein paar kleine Schwierigkeiten. Die 3. Klasse muss nun auch lernen, dass sie
in meinem Unterricht die Klappe halten muss! Ansonsten streich ich ihnen den
Film. Das ist übrigens gestern der 3. Klasse passiert, aber ich war gütig… Sie
dürfen nur die erste halbe Stunde nicht zuschauen, wenn sie den Rest der Woche
still sind. Sonst wird es der komplette Film. Es gibt nun auch sog. „Clubs“, wo
die Freiwilligen bestimmte Aktivitäten anbieten, wie zu Beispiel Schach oder
Deutschstunden. Auch ist der Plate Check wieder eingeführt worden, zumindest
zum Teil. Morgens müssen die Freiwilligen nur noch kontrollieren, ob die Teller
sauber und die Hände gewaschen sind. Der Rest ist beim alten geblieben. Meine
Arbeit macht mir immer noch Spaß und die Kinder scheinen mich, trotz meiner
einzigen Bedingung, dass sie im Unterricht still sein müssen, weiterhin zu
mögen.
Heute sind
es noch 41 Tage bis es nach Hause geht. Man geht mit einem lachenden und einem
weinenden Auge. Es ist ein komisches Gefühl, dass so ein Jahr dann plötzlich
vorbei ist. Ich kann nicht sagen, dass es mir kurz vorgekommen ist. Es war
lang, aber ich habe jede Minute genossen. Für Reflexionen ist jetzt noch keine
Zeit, das wird später kommen. Am Sonntag machen Lea, Nils, Paul und ich uns auf
nach Bangalore, zu unserem Endyear-Camp. Für Lea und Nils ist es ihr
Midyear-Camp. In Bangalore werden wir ca. eine Woche verbringen, bevor es zurück
ins Projekt geht, dann nur noch für 28 Tage. Am 28. Juli werden Paul und ich
wieder nach Bangalore fahren und dort eine Nacht im Guesthouse vom ICDE-India
schlafen, bevor wir mitten in der Nacht aufstehen, zum Flughafen fahren und am
30. Juli um 07:00 Uhr morgens in das Flugzeug Richtung Muscat steigen, um nach
Hause zu fliegen. Naja, mein anderes Zuhause…
Das Ende
scheint nun doch nah zu sein. In diesem Sinne bis bald und ihr hört nochmal im Juli
von mir! Ich wünsche euch alles Gute!
Julius
Hallo Julius, vielen Dank für diesen wunderschönen langen Blogeintrag. Du beschreibst deinen Treck und deinen Aufenthalt in Nepal so eindrucksvoll und auch die Fotos sind faszinierend.
AntwortenLöschenDas Sponsorship ist eine tolle Sache und besonders schön, weil du den Jungen kennst.Er sieht wirklich pfiffig aus.
Ich wünsche dir noch eine schöne Zeit. (Sei nicht so streng :)...)
Viele Grüße
Petra