Dienstag, 19. Juni 2012

On the road and home again!

Auf dem Weg zum Kongma La
„Ich atme schwer. Meine Lungen brennen, denn ich kriege nicht genug Luft. Ich sollte eine Pause machen, aber wenn ich jetzt stehen bleibe, dann wird es wieder eine Überwindung los zu laufen. Zum Glück hab ich genug getrunken, ansonsten hätte ich sicherlich Kopfweh. Noch fünf Schritte! Ein Blick hoch, der Himmel ist so schwarz! Noch drei Schritte! Wenn ich meine Füße sehe, ist es strahlend weiß und mir glitzern tausend Sterne entgegen. Endlich! Pause! Rechts von mir erhebt sich die imposante Südwand des Nuptse und dahinter ragt der Gipfel des Lhotse in die Höhe. Weiter hinten kann ich nach Tibet sehen. In der Ferne kann man den Makalu erkennen und mir gegenüber steht einsam die Ama Dablam. Überall Schnee und Eis. Ich lache innerlich, denn dieser Anblick ist einfach wunderschön. Laut Lachen wäre zu viel des Guten, denn mir fehlt dazu die Luft. Vor mir liegt der verschneite Weg nach oben zum Pass, ich kann noch nichts erkennen, was nach meinem Ziel ausschaut. Es ist kalt, dennoch stelle ich den Rucksack ab, denn ich weiß, dass ich trinken muss. Nagan ist mir ca. 50 Meter voraus, aber er merkt sofort, wenn ich stehen bleibe, und dreht sich lächelnd zu mir um. „Everything all right?“ Ich nicke und deute auf die Wasserflasche. Das Wasser in meiner zweiten Flasche, die nur aus Plastik besteht, ist gefroren. Mist! Hoffentlich wird die Sonne schnell stärker! Unter mir kann ich die glänzenden Dächer Chukung’s sehen. Pausen sind was Schönes, doch ich muss weiter. Also setze ich meinen 14kg Rucksack wieder auf, mache noch ein paar schnelle Fotos, und setzte wieder langsam einen Schritt vor den anderen, so, wie es mir meine Beine sagen. Zehn Schritte, dann Pause, dann wieder zehn Schritte. Stetig weiter.

Bergpanorama von Dingboche
Ich befinde mich auf 5400 Meter, noch 200 Höhenmeter vom Passglück entfernt. Mein Ziel ist der Kongma La, einer der drei Pässe auf meinem Treck und Hindernis auf meinem Weg nach Lobuche. Es ist mein erster Pass und auch noch der Höchste. Um mich herum stehen die Berge, die die Höchsten der Erde sind. Ihre Schönheit lässt sich nicht in Worte fassen. Weit und breit ist außer Nagan und mir keine Menschenseele zu erkennen. Die Sonne ist gerade aufgegangen und ein sehr großer Mond verschwindet gerade hinter der Cholatse-Kette. Wir haben leider Neuschnee, was den Aufstieg etwas erschwert. Aber es sind ja jetzt nur noch 200 Höhenmeter, also noch ein bisschen mehr als eine Stunde Aufstieg. Wir passieren die Eisseen des Kongma Tse und können dann plötzlich unser Ziel sehen. Die Gebetsfahnen flattern ca. 150 Meter höher. Der Weg dorthin führt an einer senkrechten Felswand empor, bei der man sich fragt, wie man dort ohne Seil hinaufgehen soll. Ein schmaler Steig, von Eis bedeckt, führt die letzten Meter zum Pass. Ich bin in meinem Leben noch nie in dieser Höhe gewesen. Es ist eine besondere Erfahrung. Nur noch 50 Höhenmeter. Einfach, einen Fuß vor den Anderen setzten, funktioniert nicht mehr. Im Geist sage ich bei jedem Aufsetzen meiner Füße: 1,2,1,2,1,2-Pause-1,2,1,2,1,2-Pause usw.
Passglück

Die Aussicht ist einfach nur gigantisch. Auf der linken Seite liegt das Chukung-Tal. Ama Dablam, Lhotse, Nuptse, Makalu und der Island Peak strahlen mir entgegen. Vom Pass aus kann ich weit nach Tibet sehen. Unten, zu meiner Rechten, fließt der riesige Khumbu-Gletscher hinab und transportiert, zum Teil, haushohe Felsen, auf Bergen von Schutt, das Tal hinunter. Den Gletscher muss ich heute noch überqueren…. Es lassen sich auch die Ausläufer des Pumori und des Cho Oyu ausmachen. Die Gebetsfahnen werden von der Sonne angeschienen und lassen ihre Farben, im Kontrast zum dunklen Himmel, leuchten. Ich bin sehr erschöpft und mache wieder nur ein paar schnelle Fotos. Nagan drängt zum Aufbruch. Der Khumbu hat, wegen der Höhe der Berge, sein eigenes Wetter. Die ersten kleinen Wolken zeigen sich an den Gipfeln der Berge. Wir sollten uns beeilen!“

Das ist ein kleiner Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch, das ich, auch auf meinem Treck, bei mir hatte und wo ich jedes Mal, nach einer Etappe, hinein geschrieben habe. Ich war im Khumbu für drei Wochen unterwegs. Allein mit meinem Guide Nagan Rai, mit dem ich eine drei-Pässe-Tour gemacht hatte, was uns, so gut wie, in jede Ecke des Khumbus geführt hat. Im Gesamten war ich auf meiner Nepalreise ganz alleine unterwegs. Zumindest offiziell. Auf meinem Treck, sowie während meiner Zeit in Katmandu, habe ich viele Menschen kennengelernt und bin auch manchmal eine gewisse Zeit mit diesen Leuten zusammen gereist. Es war toll so viele Menschen von den verschiedensten Teilen der Erde kennenzulernen und sich auszutauschen. Man erfährt viele Dinge und es ist sehr interessant, einen kurzen Einblick in das Leben der Personen zu erhaschen. Der Treck war mit Sicherheit das Highlight meiner Reise. Für jemanden, wie mich, der viel Klettern und Bergsteigen geht, ist der Himalaya etwas ganz besonderes. Früher als Kind haben mich Berichte über das Extrembergsteigen sehr interessiert und die Bilder, in all den Büchern, konnte ich mir ewig anschauen. Es war seitdem immer einer meiner größten Wünsche diese Eisriesen zu sehen.

Besonders die Zeit mit Nagan Rai war sehr schön. Nagan ist 26 Jahre alt und betreibt mit seinem Cousin Bachan ein kleines Guide-Unternehmen für Trekkingtouren.  Für jemanden, der nach einem guten Guide für Nepal sucht, ist bei Bachan und Nagan an der richtigen Adresse. Nagan war eine lange Zeit Träger, bis ihm ein Paar aus München einen einjährigen Englischkurs gesponsert haben. Heute spricht Nagan ein sehr gutes Englisch, was mir auch sehr zu Gute kam, da ich so jemanden hatte, mit dem ich mich auf dem Weg unterhalten konnte. Nagan ist auch gerade dabei Deutsch zu lernen und auf meinem Treck habe ich auch die eine oder andere Deutschstunde gegeben. Oft saßen wir aber einfach nur abends zusammen und haben mit den anderen Trägern und Guides Karten gespielt.

Etwas, woran ich mich auf dem Weg schwer gewöhnen konnte, war der Temperaturunterschied zu Südindien. Teils hatten wir in den höheren Lodges höhere Minusgrade, sodass ich froh war den Daunenschlafsack dabei gehabt zu haben. In Indien war ich zuvor Temperaturen von um die 40°C oder heißer gewöhnt. Das kalte Wetter in den Bergen war anfangs also ein ziemlicher Schock.

Katmandu's Durbar Square
Die Zeit nach dem Treck habe ich in Katmandu verbracht. Ich habe mir zahlreiche Stupas oder Königspaläste, die sog. Durbar Squares, angesehen. Besonders die verzierten Holzarbeiten an den Palästen haben mir sehr gefallen. Das Gebiet in und rund um Katmandu hat viel an Kultur zu bieten, sodass man auch vermehrt andere Touristen trifft. Für mich waren die schönsten Orte die Stadt Bhaktapur, welche berühmt für seine Metallarbeiten ist und ehemals sehr von der Handelsstrecke profitierte, die von Indien nach Tibet führte. Auch Patan war toll anzuschauen, welches bekannt für seine Seiden- und Stofftücher ist. Die berühmteste Stupa Nepals ist sicherlich die Boudnath Stupa, die sich im Osten der Stadt erhebt und von weither sichtbar ist. Besonders am Spätnachmittag, während des Sonnenunterganges, wird das weiße Bauwerk von der rötlichen Sonne angeschienen und bietet einen bezaubernden Anblick.
Boudnath Stupa

Die Zeit in Nepal hat mir sehr gut gefallen, was besonders auch an den Menschen lag. Oftmals hatte ich den Eindruck, dass viele sehr viel hilfsbereiter sind und eher mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht auf einen zu kommen. Allerdings habe ich auch nur zum Großteil den Vergleich zu Dharwad, wo kein einziger Mensch an einen Ausländer gewöhnt ist und viele auch einfach nicht wissen, wie sie sich in Gegenwart eines Fremden verhalten sollen. Ansonsten hatte ich den Eindruck, dass sehr viel zu Indien vergleichbar ist, allerdings in abgeschwächter Form. Die Straßen und Flüsse waren weniger verschmutzt und die Dimensionen an Menschen und Häusern einfach nicht so riesig.

Die Ähnlichkeit liegt natürlich zum einen an der Nachbarschaft der beiden Länder, aber auch zum anderen an den sehr guten Beziehungen. Indien ist quasi der große Bruder Nepals und für viele Nepali auch ein Vorbild. Mittlerweile brauchen Inder, wie auch Nepali, nicht mal mehr ein Visum, um in das benachbarte Land einzureisen. Die guten Verhältnisse der beiden Länder sind besonders durch die Handelsbeziehungen begründet. Nepal muss aufgrund der wenigen Möglichkeiten, eigene Dinge zu produzieren oder herzustellen, viele Dinge importieren. Güter werden natürlich besonders aus Indien eingeführt. Die einzige Haupteinnahmequelle ist für viele Nepali einfach der Tourismus. So gibt es vor Allem in Katmandu und Pokhara viele Travel-Agenturen, die Rafting-, Kletter- oder Trekkingtouren anbieten und sich direkt auch sofort um die Flüge in das jeweilige Gebiet kümmern.

Alles in Allem hatte ich in Nepal eine sehr schöne Zeit und habe viele Menschen kennengelernt. Sicherlich werde ich auch nochmal wieder kommen, um dann vielleicht mal ein bisschen mehr als Trekking zu wagen. Nach fünf  Wochen reisen, hatte ich mich aber schon wieder nach einem vertrauten Gesicht gesehnt und war auf der einen Seite auch froh, wieder zurück nach Indien zu fliegen und in mein Projekt zurück zu kehren.

Praveen als zweitbester Schüler der 5.Klasse
Nun hatte ich das letzte Mal auch von einem gewissen Sponsorship erzählt. Sponsorship bedeutet in diesem Fall Patenschaft. Als meine Eltern mich in meinem Projekt besuchten, kam die Idee auf, eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. Das heißt genauer, dass wir monatlich Geld an die Schule schicken. Das Geld geht nicht nur speziell an das eine Kind, sondern wird gerecht, für alle Kinder, verwendet. Nachdem meine Eltern wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind, hatten sie der Patenschaft zugestimmt und seitdem sponsern wir den 6.Klässler Praveen. Praveen hat zwei Schwerstern, von denen eine auf eine staatliche Schule geht und die andere noch ein Baby ist, außerdem hat er einen älteren Bruder, der in einem „Medicalshop“ arbeitet. Praveen kam 2009 in die Schule und sprach nicht das geringste Englisch. Praveen’s Vater arbeitet in einem Steinbruch, wo er kaum Geld verdient, sodass die Familie zu einer sehr armen Schicht gehört. Mittlerweile scheint sich sein Vater das Bein gebrochen zu haben und muss zu Hause genesen, sodass zurzeit nur der ältere Bruder Geld nach Hause bringt. Praveen’s Mutter geht keinem Beruf nach, sondern kümmert sich, wie die Gesellschaft es will, um den Haushalt. Mittlerweile ist Praveen einer der Besten in seiner Klasse, oder wenn nicht DER Beste. Praveen lernt auch ein Instrument, nämlich Tabla, das wohl berühmteste Trommelinstrument Indiens. Praveen selbst sagt, dass er sich in der Schule sehr wohl fühle. Es gäbe hier keinen derartigen Konkurrenzkampf, wie auf seiner alten Schule, was ihm sehr helfe. Er sei froh in diese Schule gekommen zu sein und sei seitdem glücklich.
Bild von Praveen

Für mich selbst ist dieser Sponsorship etwas Besonderes. Auf diese Weise bleibe ich mit der Schule in Kontakt und  werde auch weiterhin über Neuigkeiten informiert. Auch ist es schön mit einem Schüler für die nächsten Jahre in Kontakt zu bleiben. Ich kennen Praveen nun seit fast einem Jahr und haben ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Manchmal sitzen wir zusammen und unterhalten uns über sein Zuhause und seine Familie oder auch über Deutschland und schließlich dann auch über die ungleichen Verhältnisse, die in Indien und Deutschland herrschen. Ich bin mir sicher, dass Praveen irgendwann auf das Kollege gehen wird und später einmal einen Beruf ergreifen wird, der ihm ein gutes Leben ermöglichen kann. Ich hoffe auch, dass wir über den Sponsorship hinaus in Kontakt bleiben. Noch weiß Praveen nichts davon, dass ich ihn sponsere oder er lässt es sich zumindest nicht anmerken. Vermutlich würde ihm das sowieso noch nicht viel sagen, was genau es bedeutet gesponsert zu werden. An Feiertagen oder an seinem Geburtstag wird er uns mal einen Brief schreiben und dazu ein Bild malen. Natürlich werden wir ihm auch schreiben.
Als ich zurück in die Schule kam hatte sich einiges verändert. Ich unterrichte nun die 2., 3. und 5. Klasse. Jeden Tag. Glücklicherweise werden keine Hausaufgaben mehr aufgegeben, sodass ich die wenigstens nicht mehr kontrollieren muss. Die Klassen laufen soweit ganz gut. Die 2. Klasse muss noch verstehen, dass ich zwar immer noch ihr Freund, allerdings nun auch ihr Lehrer bin. Da gibt es noch ein paar kleine Schwierigkeiten. Die 3. Klasse muss nun auch lernen, dass sie in meinem Unterricht die Klappe halten muss! Ansonsten streich ich ihnen den Film. Das ist übrigens gestern der 3. Klasse passiert, aber ich war gütig… Sie dürfen nur die erste halbe Stunde nicht zuschauen, wenn sie den Rest der Woche still sind. Sonst wird es der komplette Film. Es gibt nun auch sog. „Clubs“, wo die Freiwilligen bestimmte Aktivitäten anbieten, wie zu Beispiel Schach oder Deutschstunden. Auch ist der Plate Check wieder eingeführt worden, zumindest zum Teil. Morgens müssen die Freiwilligen nur noch kontrollieren, ob die Teller sauber und die Hände gewaschen sind. Der Rest ist beim alten geblieben. Meine Arbeit macht mir immer noch Spaß und die Kinder scheinen mich, trotz meiner einzigen Bedingung, dass sie im Unterricht still sein müssen, weiterhin zu mögen.

Heute sind es noch 41 Tage bis es nach Hause geht. Man geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist ein komisches Gefühl, dass so ein Jahr dann plötzlich vorbei ist. Ich kann nicht sagen, dass es mir kurz vorgekommen ist. Es war lang, aber ich habe jede Minute genossen. Für Reflexionen ist jetzt noch keine Zeit, das wird später kommen. Am Sonntag machen Lea, Nils, Paul und ich uns auf nach Bangalore, zu unserem Endyear-Camp. Für Lea und Nils ist es ihr Midyear-Camp. In Bangalore werden wir ca. eine Woche verbringen, bevor es zurück ins Projekt geht, dann nur noch für 28 Tage. Am 28. Juli werden Paul und ich wieder nach Bangalore fahren und dort eine Nacht im Guesthouse vom ICDE-India schlafen, bevor wir mitten in der Nacht aufstehen, zum Flughafen fahren und am 30. Juli um 07:00 Uhr morgens in das Flugzeug Richtung Muscat steigen, um nach Hause zu fliegen. Naja, mein anderes Zuhause…

Das Ende scheint nun doch nah zu sein. In diesem Sinne bis bald und ihr hört nochmal im Juli von mir! Ich wünsche euch alles Gute!

Julius

Mittwoch, 6. Juni 2012

Wieder da!

So, ich bin wieder gut im Projekt gelandet und mache mich nun ans schreiben! Ich bin gesund und recht schreibmotiviert. Also ihr werdet wohl sehr bald von mir hören!

Ich hoffe bei euch ist alles klar!

Julius