Sonntag, 25. September 2011

Title: Unknow

Ein Gespräch mit Yashwad vor wenigen Minuten veranlasst mich zu meinem nächsten Blogeintrag.
Ich betrete das Office, in der Hoffnung ins Internet zu kommen. Neben Yashwad ist keiner dort. Kurz nachdem ich mich gesetzt habe, fragt mich Yashwad ob ich krank sei. Ich bin etwas irritiert und sage „nein“. Schließlich fragt er mich ob ich mich in der Schule wohl fühle. Die Frage überrascht mich, da ich stets versucht habe daran nie geringste Zweifel aufkommen zu lassen. So ganz neben bei: Ich fühle mich hier mittlerweile sehr wohl! Ich frage Yashwad warum er mich das fragt. Er denke das, da er mich niemals mit Kindern spielen gesehen habe und deshalb gedacht habe, ich könne nicht so gut mit Kindern und würde mich eher vor ihnen zurückziehen. In diesem Moment fühle ich mich dazu gezwungen mich zurechtfertigen und erkläre ihm, dass ich mich immer, wenn ich die Bücherei führe, mit den Schülern beschäftige und vor Allem mit den Kleinen spiele. Yashwad akzeptiert diese Antwort.
Mir war diese Situation unangenehm, da ich in solchen Fragen oder Aussagen öfters eine Kritik sehe. Hier interpretierte ich die Aufforderung heraus, mich mehr mit den Kindern beschäftigen zu müssen. Vielleicht ist dies ein Alltagsproblem mit dem man sich nach einem ca. einmonatigen Aufenthalt im Projekt, beschäftigt. Doch mir ist beim Grübeln über dieses Problem etwas Anderes ins Bewusstsein gekommen. Ich glaube, dass man die Erfahrungen, die man hier sammelt, spüren kann. Einer der Gründe warum ich mich für ein solches Auslandsjahr entschieden habe, war der Wunsch durch Erfahrungen zu reifen. Nun habe ich heute zum ersten Mal in diesem Punkt bewusst ein Erfolgserlebnis wahrgenommen. Das klingt vielleicht etwas übertrieben, dennoch habe ich das Gefühl, dass ich ca. vor einem Monat das letzte Mal mein Zimmer als „Kind“ betreten habe. Das ich hier in meinen Entscheidungen und Problemen überwiegend auf mich allein gestellt bin, entwickelt in mir ein neues Bewusstsein. Dennoch werde ich ganz bestimmt nicht als vollkommener Erwachsener wiederkommen, denn das will ich auf keinen Fall. So viel erstmal zur Philosophie.
Mir kommt es vor, als wäre mein Blog sehr auf mich zugeschnitten. Ich würde eigentlich gerne viel mehr über das Land berichten, in dem ich lebe. Doch das ist schwer. Indien ohne jegliche Verallgemeinerungen zu beschreiben ist, wie ich finde, praktisch unmöglich. Indien ist, fast in jedem Teil des Lebens, so verschieden zu Deutschland. Deshalb ist es ebenfalls unmöglich das exakte Gefühl oder den Eindruck hundertprozentig zu beschreiben. Indien ist so vielseitig, was es nicht möglich macht dem Leser das Gefühl zu geben hier zu sein. Trotzdem werde ich versuchen das alltägliche Leben zu beschreiben.
Wie ihr wisst ist Mittwoch mein sogenannter Day-off, an dem ich meistens nach Dharwad fahre. Wenn ich nach Dharwad fahre, nehme ich meistens den zehn Uhr Bus von Kalkeri nach Dharwad. Da die Musikschule etwas abgelegen des Dorfes liegt, muss ich früher den Marsch zur Dorfmitte antreten. Kalkeri hat keine asphaltierten Straßen, abgesehen von den Straßen rund um den Dorfplatz. Auf dem Weg zum Dorf laufe ich an Reisfeldern und Palmen vorbei und ein kleines Stück durch den Dschungel, bis die ersten kleinen Häuser in Sicht kommen. Der Weg ist vor Allem in der Monsunzeit sehr schlammig und durchsetzt mit Kuhmist. Jedoch wenn einmal die Sonne scheint, dann wird es schnell sehr warm und der Schlamm trocknet sehr schnell. Beim Betreten des Dorfes läuft man meist streunenden Hunden und vielen Kindern über den Weg. Oft knurren die Hunde einen an, doch bisher haben sie noch nicht versucht mich zu beißen. Die Kinder spielen meist und die Erwachsenen gehen ihrer Arbeit nach. Das Spiel, was hier von den Kindern gespielt wird ist eine Art Fangspiel im Team. Viel mehr wird hier auch nicht gespielt, da einfach das Geld fehlt.
Es scheint noch auf dem Land eine gewisse Rollenverteilung zu geben. Wenn ich das Dorf durchlaufe, sehe ich sehr oft die Frauen draußen Wäsche waschen und die Männer auf den Feldern arbeiten. An den sehr kleinen Bauernhütten grenzt meistens direkt der Stall an, wo überwiegend Kühe und Hühner leben. Beim Laufen wird man des Öfteren begeistert von den Kindern angesprochen und (vermutlich wegen der weißen Haut) an den Armen und Händen berührt. Von den Erwachsenen wird man stets gegrüßt. Die Häuser sind bunt gestrichen bzw. bemalt, was in der Natur jedoch recht harmonisch wirkt. Das kaum vorhandene Englisch der Bewohner ist für mich meistens schwer verständlich und ich muss ein oder zweimal nachfragen, was ich gefragt wurde. In der Luft liegt ein Geruch von Kuhmist, Stroh, Essen bzw. Gewürzen und Blumen. In dem Dorf selbst gibt es: Eine Bushaltestelle, die angeblich erst seit der Eröffnung der Schule angefahren wird, einen Schneider, der nur dann wenn er will öffnet und schneidert, ein Postoffice, das wie der Schneider nur dann öffnet, wenn es Lust dazu hat, sowie zwei bis drei kleine Läden, die allesamt an dem Dorfplatz liegen, wo es eine kleine Bühne gibt, die an Festtagen genutzt wird. Die Läden verkaufen Dinge wie Bananen, Sweets oder Limonade.
Der Bus, der mich nach Dharwad bringt, hält direkt auf dem kleinen Dorfplatz. Auf der Linie fahren zwei Busse. Beide sind sehr rustikal, dennoch erkennt man nach einiger Zeit einen wichtigen Unterschied: Bei dem „guten“ Bus funktionieren die Stoßdämpfer, bei dem „Schlechten“ nicht. Wenn man nun in den Bus einsteigt, muss man vor Allem in Dharwad um einen Sitzplatz kämpfen. Es ist ganz normal, dass man noch, während der Bus fährt, in ihn einsteigt. Man kann sich auch einen oder mehrere Plätze reservieren, indem man, während der Bus einparkt, ein Kleidungsstück oder eine Tasche durch das Fenster des Busses auf die Sitzreihe schleudert. Logischerweise wartet man auch nicht darauf, dass zuerst die Menschen im Bus aussteigen. Es entsteht also ein großes Chaos. Es ist sehr darauf zu achten, wo man im Bus sitzt. Die besten Plätze sind in der Mitte zu finden, da man Vorne und besonders Hinten öfters hoch katapultiert wird, wenn der Bus überwiegend ungebremst über einen Buckel fährt, der eigentlich dazu gedacht ist, die Geschwindigkeit zu verringern. Aber nicht nur aufgrund der Buckel lohnt es sich in dem „guten“ Bus möglichst in der Mitte zu sitzen, sondern auch, da sich die Straßen nach Dharwad allgemein in einem sehr schlechten Zustand befinden. Sehr große Schlaglöcher und überwiegend nichtasphaltierte Straßen lassen einen kräftig durchschütteln. Im Bus selbst arbeiten zwei Leute. Der Busfahrer und der Fahrkartenverkäufer. Kurz nachdem der Bus losgefahren ist, beginnt der Fahrkartenverkäufer damit was er am besten kann: Richtig, Fahrkarten verkaufen! Er geht systematisch vor. Es wird von Vorne nach Hinten verkauft. Eine Fahrkarte kostet zwölf Rupien, was umgerechnet ca. zwanzig Cent sind. Es ist gut, wenn man die zwölf Rupien passend hat, da der Fahrkartenverkäufer oft nicht in der Lage ist das Geld zu wechseln, sodass man das Wechselgeld erst später während der Busfahrt zurück bekommt. Manchmal vergisst der Kontrolleur das auch gerne mal.
Der Busfahrt ist soweit nicht mehr viel hinzuzufügen, außer das sie auf Dauer sehr einschläfernd ist. Obwohl man so durchgeschüttelt wird! Man macht also öfters die Augen zu, wenn nicht gerade kleine Schulkinder neben einen sitzen, die nicht aufhören können zu fragen, wo man denn her komme. Ansonsten blickt man aus dem Fenster und sieht die wunderschöne Landschaft aus Reis-, Kokosnuss- und Bananenplantagen, durchsetzt von sanft geschwungenen Hügeln und Palmen. Manchmal passiert man auch einen blau glitzernden Fluss oder See, in dem die Kühe baden und manche Bewohner, der umliegenden Dörfer, ihre Kleider waschen.
Dharwad hat zwei Busbahnhöfe. „The New Busstation“ und „The Old Busstation“. Letzterer wird stets von dem Bus aus Kalkeri angefahren. Von dort aus sind Markt und die, für uns Freiwilligen, interessantesten Geschäfte erreichbar. Der Busbahnhof ist immer überfüllt mit Bussen. Es ist laut und sehr dreckig. Überall streunen Hunde herum und die Gebäude sind zwar aus Stein erbaut, dennoch machen sie eher einen rustikalen Eindruck. Des Öfteren wird man auch von umherlaufenden Händlern angesprochen, die versuchen ihre minderwertige Wahre zu verkaufen. Was nicht vergessen werden darf, sind die vielen bettelnden kleinen Kinder, die man von sich weisen muss.
Auf dem Markt kaufe ich überwiegend Früchte ein, die allesamt einen super Snack darstellen. Was man hier auf jeden Fall lernt, ist das Verhandeln. Alles andere kaufe ich in einem Supermarkt, in dem eigentlich nur die wohlhabenden Leute einkaufen können, bis auf Nutella, was ich in einem Laden kaufe, der auch viele andere westliche Produkte verkauft. Öfters esse ich dann auch in Dharwad in einem der Hotels zu Mittag.
So viel erstmal zu meinem Day-off.
Es tut mir Leid, dass dieser Eintrag, für meine Verhältnisse, recht spät kommt. Aber da ich ungefähr eine Woche lang krank war, musste ich eine kleine Schreibpause einlegen. Für Interessierte: Ich hatte Halsschmerzen und etwas Fieber.
Die Regenzeit scheint nun zu Ende zu sein. Wir haben seit über zwei Wochen überwiegend einen blauen Himmel und viel Sonne. In der Nacht wird es kalt, da es meist wolkenklar ist. Man wird aber mit einem berauschenden Sternenhimmel entschädigt. Tagsüber klettern die Temperatur schon mal auf 30°C, zumindest in der Sonne. Diese Jahreszeit wird „Coldseason“ genannt und soll die schönste aller Jahreszeiten sein, da es noch relativ kühl ist und das Wetter sehr schön ist.
In ungefähr zwei Wochen beginnen hier die Ferien, die vier Wochen andauern. Ich werde mir zwei Wochen Urlaub nehmen und in dieser Zeit nach Gokarn, Goa und Hampi reisen. Gokarn und Goa sollen mit anderen Ländern die schönsten Strände der Welt haben. Hampi hingegen ist wegen seiner riesigen Tempelanlagen und Paläste, die in der Zeit erbaut wurden, als Hampi noch die Hauptstadt eines sehr wohlhabenden indischen Reiches war. Ich werde zusammen mit Freunden diese Reise antreten, darunter auch Paul und Frederik.
Ich habe in der Zwischenzeit begonnen Hindi zu lernen. Da die Sprache ein anderes Alphabet besitzt, ist aller Anfang schwer. Es macht aber großen Spaß. Hindi werde ich nicht nur alleine lernen, sondern auch mit den anderen Freiwilligen in einer Klasse, die von dem Engländer Woods unterrichtet wird, der hier schon über viele Jahre lebt und auch hier in der Musikschule lebt. Neben Hindi werde ich auch ein neues Instrument lernen: Sitar. An meinen freien Zeiten werde ich nach Dharwad fahren und dort von einem berühmten Sitarspieler unterrichtet werden. Dieser soll auch schon Konzerte in Deutschland, Frankreich, Spanien und in den USA gegeben haben. Seinen Namen habe ich noch nie zuvor gehört und kann mich jetzt auch nicht an ihn erinnern.
Ich hoffe, euch daheim geht es gut. Nebenbei wünsche ich euch wunderschöne Herbsttage, was mir allerdings schwer fällt zu realisieren, da das Wetter hier jeden Gedanken an Herbst verdrängt.
Viele Grüße aus Indien!

Julius

PS: Bilder folgen mal wieder.

Samstag, 10. September 2011

Indisches Kino und nochmal ein bisschen Ganesh

Die Feiertage rund um Ganesh liegen nun hinter mir und der Alltag ist an ihre Stelle getreten. In den Klassen hat sich soweit nicht viel verändert. Es ist meistens noch genauso laut, wie am Anfang. Dennoch beklage ich mich nicht, denn ich weiß, dass sich das alles mit der Zeit ergeben wird. Das war bisher immer so. Hab heute zum ersten Mal Hausaufgaben nachgeschaut, dabei ist mir eines klar geworden: Ich werde zukünftig weniger aufgeben! Denn alles was ich aufgebe muss ich auch kontrollieren und berichtigen. Wenn ich weniger aufgebe, freuen sich die Kinder und ich habe mehr Zeit zum Lesen, was bei Regen echt herrlich ist. Nun kann man natürlich sagen, dass das etwas egoistisch ist, da bekanntlich die Kinder in der Schule etwas lernen sollen. Dennoch ist mir hier schon anfangs etwas klar geworden: Ich darf meine Erwartungen nicht zu hoch stellen. Die Kinder, die beispielsweise in der dritten Klasse sind, sind in einem Alter, in dem wir gerade mal erst eingeschult werden. Dort mit Satzbau und „son Zeug“ anzufangen, macht nicht viel Sinn, zumal ich gar nicht weiß, in welchem Alter ich das überhaupt gelernt habe.
Nachdem ich vergangene Woche so begeistert aus Dharwad zurückgekehrt war, wo ich den Start des Ganesh Festes miterlebt hatte, gab das den Anreiz dazu, dass Paul und Frederik so etwas auch erleben wollten. Am Sonntag waren wir ins Kino eingeladen worden, sodass wir das damit verbanden.
Indisches Kino….nun, wo fängt man da an? Hätte vor dem Eingang des Kinos nicht ein großes Plakat des Films „Bodyguard“ gehangen, so hätte ich auf den ersten Blick geglaubt, es sei der Eingang in eine Tiefgarage. Rechts neben dem Haupteingang, dessen Pforten ein herauf- und herunter fahrbares Gitter bildeten, wie es üblicherweise vor Tiefgaragen zu finden ist, stand ein winziges Kassenhäuschen. Dort wurden Karten verkauft, die aus ganz normalem Papier bestanden und an einer Seite leicht rosa angefärbt waren. An der Seite des Gitters am Haupteingang befand sich eine kleine Tür an der ein Mann stand, der die Karten kontrollierte. Nun, der Unterschied zu einer Tiefgarage bestand darin, dass es nicht bergab ging. Hinter dem Gitter führte rechts eine Treppe hoch und geradeaus befanden sich zwei Türen. Da es in diesem Kino nur einen Saal gibt, führten die Türen zum unteren Teil des Saales und rechts die Treppe hoch ging es zum sog. Balkon, dem oberen Teil des Saales. Da es nur einen Saal gibt, könnt ihr euch auch denken welchen Film wir gesehen haben. Richtig! „Bodyguard“. Bodyguard stellte sich als einen Bollywood Mix aus Actionfilm, Schnulze und Komödie heraus, wobei Letzteres eher vom eingefleischten Hollywood Zuschauer empfunden wurde. Die Actionszenen waren, möglicherweise bewusst, überzogen dargestellt worden, um den prollohaften Hauptdarsteller gut in Szene zu setzten, dennoch wirkten diese Szenen eher lachhaft. Die romantischen Szenen wurden so kitschig dargestellt, dass man sich halb blind erst einmal die Augen reiben musste, um für den Rest des Films sein Augenlicht zu behalten. Das einzige, was wirklich gut war, war die Musik, da diese immer absolut zu der jeweiligen Szene gepasst hat. Warum aber werde ich nun meinen ersten indischen Kinobesuch nicht vergessen? Mir ist an diesem Nachmittag eines klar geworden: Die Zuschauer machen das Kino zum Kino, so wie ein Fußballnachmittag von den Fußballfans abhängt. Die Atmosphäre im Kino war so viel anders zum „normalen“ Kino. Bei der ersten Szene des Hauptdarstellers brach das gesamte Kino in Jubel aus, wie bei einem Konzert, wenn die Band im Dunkeln der Bühne das erste Lied anstimmt. Ebenso die, für Bollywood Filme, typischen Tanz- und Gesangszenen wurden bejubelt. Während des Films, der auf Kannada war, wurden den Darstellern Aufforderungen oder andere Dinge zu gebrüllt. Diese gesamte Atomsphäre trug dazu bei, dass ich den Film doch auf irgendeine Weise mochte. Man kann also sagen, dass es definitiv ein Erlebnis war.

Jetzt war da ja noch die Sache mit Ganesh. Nach dem Kino machten wir, wie immer wenn wir in Dharwad sind, ein paar essenstechnische Besorgungen. In diesem Zusammenhang muss ich erwähnen, dass es mir gesundheitlich, schon den gesamten Tag über, alles andere als gut ging. Magendarmprobleme plagten mich schon seitdem wir nach Dharwad aufgebrochen waren. Nach dem Einkaufen trafen wir uns mit Yashwad, einem guten Bekannten aus der Schule, der im Büro arbeitet. Wir besuchten Orte, an denen Abbilder des/der Ganesh standen, die von den umliegenden Bewohnern faszinierend geschmückt worden waren. Dort bekam man den typischen (mega dekorativen) Punkt auf die Stirn und immer etwas Süßes. Der faszinierendste Ort war eine große Statue, wo man hineingehen und ein kleines Theaterstück über den Gott Ganesh (der für Intelligenz steht) betrachten konnte. Drinnen wurden die Frauen von den Männern getrennt und es war alles sehr eng, sodass man stark zusammengedrängt dastand. Ich stand hinter Frederik und Paul an einer der Barrikaden, die die Männer von den Frauen trennten. Es war sehr stickig und warm. Während des Theaterstücks kämpfte ich mit meinem Darm, sodass ich nicht viel davon mitbekam. Gegen Ende der Vorstellung fing mein Körper in der Darmgegend an weh zu tun. Mir wurde schwindelig und plötzlich wurde alles weiß und ein rauschen erfüllte meine Ohren. Ich spürte, dass ich unkontrolliert fiel und hart auf den Boden aufprallte. Dann war alles schwarz. Als ich wieder zu mir kam lag ich seitwärts auf dem Boden. Die Vorstellung war scheinbar vorbei und ein Teil der Leute war bereits draußen, bis auf eine Gruppen von Indern die mich immer wieder ansprachen: “What happend?“ Ich war in diesem Moment nicht fähig Englisch zu sprechen. Das einzige was mir einfiel war: „I don’t know.“ Man stützte mich beim hinauslaufen und brachte mich zu Paul, Yashwad und Frederik, die von dem gesamten Vorfall nichts mitbekommen hatte, da diese vor mir standen und mich beim hinauslaufen nicht gesehen hatten, da ich ja am Boden lag. Sie dachten ich sei bereits draußen. Sie brachten mich zu einem Imbissstand, wo in Teig frittierte Peperoni oder Ähnliches verkauft wird. Dort konnte ich mich setzen und erstmal Wasser trinken. Als es mir schließlich etwas besser ging, gingen wir in ein Restaurant, wo ich zu allererst ein Badezimmer besuchte und mich danach mit Tee und einem Gebäck stärkte. Mir ist noch nie schwarz vor den Augen geworden, doch in diesem provisorischen Theater geschah es und ich war alleine weit weg von zu Hause. Letztendlich kann ich sagen, dass dies, so komisch das auch klingen mag, eine besondere Erfahrung war, die ich nun nicht mehr missen möchte. Ich hatte keine Angst, obwohl ich auf mich allein gestellt war.
Den Rest des Tages versuchten wir noch vergeblich Knaller zu kaufen, da am Freitag Ganesh verabschiedet wird. Die Knaller bekamen wir einen Tag später. Zum Ausprobieren. Krasse Teile! Dagegen sind die Knaller, die in Deutschland verkauft werden, ein Witz. Jedoch sind die hier auch viel unberechenbarer und gefährlicher. Was ist noch erwähnenswert? Am Montag fand, völlig überraschend, der „Teachers Day“ statt. Dort wurden die Lehrer und Betreuer von den Schülern geehrt. Wir alle bekamen Umschläge mit einem Bonbon und einem selbstgemalten Bild. Außerdem wurde für uns gesungen und Gedichte wurden vorgetragen. Am Ende spielten wir noch, vor der gesamten Schule, „Reise nach Jerusalem“.
Heute ist Mittwoch der 07.09.11, mein sogenannter „Day-off“, und das Internet funktioniert mal wieder nicht. Deshalb kommt dieser Eintrag mal wieder mit Verspätung. Viele Grüße an alle, die meinen Blog verfolgen. Ich habe von meinen Eltern gehört, dass das doch so Einige sein sollen.

Julius

PS: Heute ist Samstag. Bilder und der nächste Eintrag folgen.

Dienstag, 6. September 2011

Zeit der Eingewöhnung und die Feiertage des Ganesh

Jeder Tag ist grün und grau. Grün der Regenwald, grau der Himmel. Grau-grün trifft die Beschreibung eigentlich schon ziemlich genau. Zurzeit herrscht hier die intensivste Monsunzeit. Es ist verhältnismäßig kühl und jeder Tag wird vom platschen der Regentropfen, die vom Rand des Daches fallen, begleitet. Manchmal wird es auch im Haus nass, immer dann, wenn die Affen über das Dach preschen und dabei die Dachplatten verschieben. Der Boden ist überall glatt und matschig und letzteres ist ein nerviges Problem. Wer weiße Sachen zur Monsunzeit mitnimmt, muss damit rechnen, dass diese niemals mehr richtig sauber werden. Der Matsch ist widerspenstig und ist überall. Die Füße sind stets voll davon. Zum Glück trocknet er, im Gegensatz zu allem anderen, sehr schnell. Die Luft ist sehr feucht und alles ist klamm. Man muss alle Kleidungsstücke öfters tragen und Dinge wie Rucksäcke oder ähnliches überprüfen, dass diese nicht anfangen zu schimmeln. Man hängt alles am besten an einem Nagel auf, damit so wenig wie möglich Kontakt zu feuchten Boden hat. In der Monsunzeit entwickeln sich die Moskitos prächtig und man muss sich an das ständige Juckgefühl (besonders an den Füßen) einfach gewöhnen. Ebenso kann es vorkommen, dass man des Nachts von Fröschen oder anderem Getier an seiner Schlafstätte besucht wird. An diesem Punkt angekommen, muss ich meine Liebe zu meinem Moskitonetz kundtun, welches mir einen ungestörten Schlaf beschert, der mir sehr am Herzen liegt. Wie ihr seht, bin ich auf gutem Wege mich hier einzugewöhnen….
Die Tage scheinen so langsam immer schneller zu verstreichen. Ich sitze nun in meinem Zimmer auf der Chetai (einem geflochtenen, robusten Teppich, der an eine Strandmatte erinnert) und schreibe diesen Eintrag vor, da wir seit Tagen kein Internet mehr haben. Heute haben wir den 02-09-2011, um hier mal ein Datum einzubringen. Ich glaube, dass ich mich so langsam in den Alltag einfinde. Morgens wird zu unterschiedlich Zeiten in der Woche aufgestanden. Wenn ich mit „Plate Check“ an der Reihe bin, geht der Tag für mich um 7:45 Uhr los. Morgens beim sog. „Plate Check“ werden die Kinder beim Händewaschen beaufsichtigt und nach dem Essen werden die Teller auf ihre Sauberkeit überprüft, da jedes Kind seinen benutzten Teller nach dem Essen selber waschen muss. Ansonsten wird erst zum Meeting aufgestanden, das zwischen 8:30 Uhr und 8:45 stattfindet. Momentan ist Jay (unsere Projektleiterin) für zweieinhalb Wochen in Frankreich, was bedeutet, dass das Meeting ausfällt und ich genüsslich bis 9:30 Uhr schlafen kann. Morgens lege ich meistens ein zweites Frühstück ein, mit Nutella, Honig, Erdnussbutter und Toast. Trotz dieser Mahlzeit passt die engste Lasche meines Gürtels nicht mehr richtig, was allerdings nicht weiter besorgniserregend ist, da die vorletzte Lasche meines Gürtels auch in Deutschland nie richtig gepasst hat. Das Essen hier war anfangs etwas gewöhnungsbedürftigt, da es zu jeder Mahlzeit Reis und eine gewisse Schärfe gab. Dennoch habe ich mich soweit an das Essen gewöhnt und es wird auch ständig von Seiten der Schule, mit ihren beschränkten Möglichkeiten, versucht, mit so viel Abwechslung wie möglich zu kochen. Soweit geht es mir also gesundheitlich gut. Nach dem Frühstück geht die „Extraclass“ los. „Extraclass“ bedeutet, dass dort die schwachen Schüler Nachhilfe bekommen. In einer solchen Klasse sind maximal drei Schüler, was gewährleistet, dass man sich intensiv um diese Schüler kümmern kann. Die Extraclass beginnt um 10:30 Uhr.
Vorher haben die Kinder noch Musikunterricht, für den sie teilweise schon um 4:30am aufstehen müssen. Die Klassen die ich dann am Tag selbst unterrichte sind zu unterschiedlichen Zeiten. Die späteste Klasse habe ich freitags um 16:00 Uhr. Eine Schulstunde dauert hier vierzig Minuten. Später bin ich dann noch in der „Bücherei“, einem zweiräumigen Haus mit zwei Bücherregalen und einer Spielzeugkiste, wobei letztere von den Kindern begehrter ist. Nach einer guten Stunde habe ich dann meistens nur noch den Plate Check gegen 19:30 Uhr zu erledigen. Ich habe nicht immer die dritte und fünfte Klasse an einem Tag zu unterrichten, was bedeutet, dass ich zwischen den Stunden relativ viel Freizeit habe. Zudem muss man den Mittwoch und Sonntag aus dem alltäglichen Ablauf herausnehmen, da der Mittwoch mein wöchentlicher freier Tag ist und der Sonntag für Lehrer generell überwiegend frei ist.
Gestern und Vorgestern hatte ich frei, da das Ganesh Fest stattfand. Ganesh ist in Indien einer der „prominentesten“ Götter. Er sieht aus, wie eine Mischung aus Elefant und Frau. Gestern war der Beginn des Festes, was sich über mehrere Tage hinzieht. Morgens hatten wir ein kleines Fest in der Schule. Zu Beginn werden die Götter Statuen von der Werkstatt, wo sie gefertigt werden, abgeholt. Das scheint eine gewisse Tradition zu sein. Zwei Tage vor dem Start des Festes richteten Schüler in einem Klassenraum alles für die Statue her. Es wurde alles sehr pompös geschmückt und verziert. Beim Abholen der Statue bildeten alle Beteiligten eine Art Marsch, der mit Trommeln begleitet wurde. Es wurde getanzt und gesungen und die gesamte Zeremonie dauerte ca. zweieinhalb bis drei Stunden. Die Statue in der Schule war recht klein. Ich hatte gehört, dass es in den großen Städten noch bombastischere Zeremonien geben solle und da ich eh noch ein paar Lebensmittel kaufen wollte, bin ich alleine nach Dharwad gefahren. In DharwadNutella zu kaufen gab, war das einzige was mich im Nachhinein gestört hat.
Bald habe ich Geburtstag. Ich freue mich schon auf die Atmosphäre hier….

Bis bald !

Julius

PS: Endlich wieder Internet !! Es hat sich in der Zwischenzeit wieder Einiges ereignet. Der nächste Eintrag ist in Arbeit.