Montag, 26. März 2012

Die drei Seiten


Kinder aus Kalkeri
Vom „Busstand“ aus, sind es nur wenige Meter bis zu den „westlichen“ Shops, wo man Nutella, guten Honig und Hygienezeug von Marken, die man auch im Westen kennt, einkaufen kann. In diesen Laeden trifft man vor Allem wohlhabende Inder an, die sich, die fuer die normale Bevoelkerung, viel zu ueberteuerten Artikel leisten koennen. Der Weg dort hin ist eng und voller Menschen. Es ist heiss und wenn man auch noch einen Rucksack traegt, dann spuert man, wie die Schweissperlen einem den Ruecken hinunter laufen. Besonders die Gerueche entwickeln bei den warmen Temperaturen nochmal eine ganz eigene Intensitaet. Der Urin-, Muell und Essensgeruch haengen einem die meiste Zeit in der Nase. Um die Temperarturen, die vielen Menschen und die anderen Eindruecke aufzunehmen und ertragen zu koennen, muss man mit einer gewissen inneren Ruhe in die Betriebsamkeit, der Stadt Dharwad, eindringen.
In der Naehe der westlichen Laeden, zwischen einem Schnellimbiss und dem kleinen Park, trifft man meist auf einen Mann, dem das Schicksal schwer mitgespielt hat und dem, durch die soziale Strucktur Indiens, sein Lebensweg gnadenlos und unveraenderbar gewiesen wird. Er liegt meist, zusammen gekruemmt, in einer sehr verdreckten Ecke. Eines seiner Beine ist unterhalb des Kniegelenks abgetrennt und den Stumpf breitet er meist vor sich aus, da er bei einer anderen Position Schmerzen zu erleiden scheint. Sein zottelieges, fettiges, zerfranztes Haar streift stets beim betteln ueber den dreckigen Boden. Das einzige, was er besitzt ist eine loechrige Muetze, die er manchmal vor sich ausbreitet, um ein paar Rupien zu erbetteln.
Grundsatz einer "Government School"
Als ich diesen armen Mann passieren will, tritt mir ein Geschaeftsmann in den Weg und laechelt mich freundlich an. „Nicht jetzt!“ denke ich und versuche einen Blickkontakt zu vermeiden. Doch: Zu spaet! Der uebliche Smalltalk beginnt mit: „Hey my friend! Where are you from? “ Ich versuche mich kurz zu fassen und antworte in knappen Saetzen. Waehrend mich der Geschaeftsmann so ausfragt, hoere ich neben mir ein Kraechzen: „Bayar!“ Natuerlich ist dieser Bettler auf mich aufmerksam geworden. Ich werfe ihm einen fluechtigen Blick zu, reagiere aber nicht. Ein wenig spaeter wieder: „Bayar!“ Mittlerweile beginnt der  are Mann auf mich zu zukriechen und kraechzt dabei immer weiter „Bayar! Bayar!“ Dieser Anblick des verkrueppelten Menschen, der auf mich zu kriecht, waehrend ein freundlicher Geschaeftsmann mich ueber mein Zuhause und meine Arbeit ausfragt, ist nur schwer ertragbar. Der Bettler hat mich fast erreicht, als ich es endlich schaffe, den Geschaeftsmann schnell abzuwicklen und meinen Weg fortsetze.
Im Viertel der Musiker
Es ist nicht so, dass ich diesen Menschen keine Alomsen geben will. Es ist in meiner Rolle nicht moeglich irgendjemanden Almosen zu geben, selbst den kleinen Kindern nicht. Solche Situationen sind natuerlich sehr schwer, allerdings kann ich den ganzen Bettlern in Dharwad kein Geld geben. Wir Freiwilligen sind die einzigen „hellhaeutigen“ Menschen in der Umgebung. Wenn wir Almosen geben, wird sich sowas schnell herum sprechen und kann letztendlich sogar nicht ganz ungefaehrlich werden.
Diese Kontraste, die anfangs interessant und klischeehaft wirkten und worueber man sich natuerlich viele Gedanken gemacht hat, zermuerben nun. Es ist gut, taeglich damit konfrontiert zu werden, und sich zu fragen, wie so etwas in der Welt moeglich ist. Die einen profitieren, waehrend die anderen alles verlieren. Davon lebt das System dieser Welt heute. Ich will damit keineswegs aussagen, dass ich den Sozialismus gutsage, allerdings ist der Kapitalismus auch scheisse. Wieso wird ein Mann aus einer Kantine geworfen, nur weil er sich keine bessere Kleidung leisten kann und wie das letzte Stueck Dreck behandelt wird, obwohl doch eigentlich alle Menschen auf der selben Stufe stehen? Menschen werden immer noch in Klassen eingeteilt und dem entsprechend ruecksichtslos behandelt. Diejenigen, denen es gut geht, scheren sich nicht um diejenigen, um die man sich eigentlich scheren sollte. Jeder denkt nur an sich selbst. Sowas kennt man sonst nur aus den Medien. In Deutschland lebt man eher selten in dieser Welt. So etwas „live“ zu sehen, ist etwas anderes und veraendert etwas in dir. Frustrierend ist auch, dass man die Welt nicht aendern kann. Man driftet tatenlos durch die Zeit und sieht zu was passiert. Ab und zu bekriegt man sich und ueberlaesst spaeter das Land sich selbst. Das selbe gilt fuer Naturkatastrophen. Die Oeffentlichkeit wird dabei natuerlich nicht in Kenntniss gesetzt, um sich selbst nicht zu schaden. Gewisse Menschen duerfen nicht zu Wort kommen, ansonsten koennte vielleicht doch etwas passieren. Da geht man lieber das Leiden anderer ein, da es ja einen selbst nicht betrifft.
Bunt!
Welche Rolle haben wir Freiwilligen eigentlich? Wir werden in ein fremdes Land geschickt, um uns weiter zu bilden. Dem Land selbst helfen wir nicht. Wir sind keine Entwicklungshelfer. Der Staat schickt uns allein aus eigenem Nutzen. Das einzige was wir geben koennen ist: Uns. Wir geben den Kindern, durch unsere Erscheinung und unser Verhalten, einen Einblick in eine andere Welt. Ob diese erstrebenswert ist oder richtig ist, bleibt definitiv in Frage gestellt. Ich bin nicht der erste der versucht, sowas in dieser Richtung zu schreiben. Auf jeden Fall ist es gut sich sowas von der Seele zu schreiben. Es ist einfach auf alles herum zu trampeln, aber was wirklich unternehmen tue ich schliesslich auch nicht. Zumindest noch in keiner Weise, die mich zufrieden stellt. Was meine ich ueberhaupt mit „unternehmen“? Ich weiss es auch nicht wirklich.
Holi mit Praveen

Da gehe ich doch vorerst lieber zu meinem kleinen Auslandsjahr zurueck und berichte euch gerne von meinen Urlaubsplanungen. In ein paar Tagen kommen meine Eltern und mein Bruder mich besuchen. Nach fast acht Monaten ... interessant! Die Planung sagt: Dharwad, Gokarna, Hampi und wieder Dharwad. Meine Eltern bringen mir auch Sachen fuer meine viel groessere Reise mit und nehmen unter anderem vieles von mir nach Deutschland zurueck. Zwei Wochen nachdem meine Eltern wieder zurueckgeflogen sind, werde ich nach Nepal fliegen. Fuer fuenf Wochen. Dort werde ich mir die hoechsten Berge der Erde anschauen. Ewas sehr besonderes fuer mich! Ich werde einen Trek machen, der den Everest und die tibetische Grenze streift. Dabei habe ich eine Route gewaehlt, die abgesehen von dem Everest Base Camp, so wenig Touristen wie moeglich waehlen. Vielleicht habe ich nach dem Trek noch ein wenig Zeit, um mich in einen anderen Teil Nepals aufmachen zu koennen. Wir werden sehen...
In diedem kleinen Bericht werdet ihr auch ein paar Fotos von dem Farbenfest „Holi“ sehen, mit dem der „Fruehling“ und alles neue Leben gefeiert wird. Das Fest war zwar eher eine Farbschlacht als ein Fest, allerdings war das Tanzen mit den Kindern und sich gegenseitig mit Farbe zu bewerfen sehr amuesant. Schade, dass wir so etwas nicht in Deutschland haben!

Ich hoffe euch gehts gut! Namaste!

Julius

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